Reden kann Barack Obama. Das hat er in seiner 
fünften Rede zur Lage der Nation einmal mehr unter Beweis gestellt. 
Verbindlich im Ton drohte er die Blockade-Politiker im Kongress 
künftig zu ignorieren. Ob der Präsident mit den in Aussicht 
gestellten Alleingängen besser regieren kann, muss sich erst noch 
zeigen. Skepsis scheint angebracht. Dafür gibt die amerikanische 
Verfassung dem Weißen Haus nicht genügend Macht.
   Auf jeden Fall nicht in der Innenpolitik. Jede echte Veränderung 
braucht hier die Zustimmung von Senat und Repräsentantenhaus. Sei es 
die dringend nötige Reform der Einwanderung, ein modernes 
Steuerrecht, Einschränkungen der Schnüffeleien der Geheimdienste oder
schärfere Waffengesetze. Nichts von dem kam in dem Pleiten-, Pech- 
und Pannenjahr 2013 auf dem Capitol Hill auch nur einen Zentimeter 
voran. Und wenig sieht nach Durchbrüchen vor den wichtigen 
Zwischenwahlen im November aus.
   Tatsächlich ist Obamas »Jahr der Taten« nicht mehr als ein langer 
Waschzettel bescheidener Initiativen. Hier ein paar Cent mehr beim 
Mindestlohn für Arbeiter in Unternehmen, die aus dem Steuersäckel 
bezahlt werden. Da die Anhebung der Obergrenzen beim 
Kraftstoffverbrauch für Lastkraftwagen. Vielleicht symbolische 
Maßnahmen in der Frauen-, Familien- und Gleichstellungspolitik. 
Nüchtern betrachtet gesteht der »Yes-We-Can«-Präsident damit ein, 
dass die Zeit der großen Visionen vorüber ist. Die republikanische 
Mehrheit im Repräsentantenhaus hat den Reformeifer des Präsidenten 
bis auf weiteres ausgebremst. Das gilt übrigens auch für das 
erneuerte Versprechen, das Gefangenenlager Guantánamo endlich zu 
schließen.
   Im Alleingang etwas bewegen kann der einst mit großen Plänen 
angetretene Obama nur auf internationaler Bühne. Die einzige harte 
Nachricht aus der Rede ist deshalb die Veto-Drohung gegen neue 
Iran-Sanktionen durch den Kongress. Der Friedensnobelpreisträger 
weist damit die Falken in die Schranken, die seine Atom-Diplomatie 
aufzuhalten versuchen. Der Präsident sendet damit das richtige 
Signal. Wie Obama auch konsequent in Afghanistan den längsten Krieg 
in der US-Geschichte zu Ende bringt, die Drohneneinsätze weiter 
reduziert und die Latte für neue Militär-Einsätze hoch legt. In den 
Ohren mancher Sicherheitspolitiker muss es unerhört klingen, wenn der
Präsident verspricht, den »permanenten Kriegszustand« der Supermacht 
zu beenden. Die USA werden unter diesem Präsidenten nur die 
Schlachten schlagen, die unbedingt ausgefochten werden müssen.
   Unterm Strich nutzte Obama die Rede zur Lage der Nation geschickt,
seine Anhänger für die Kongress-Wahlen im Herbst zu mobilisieren. 
Deren Unterstützung wird er brauchen, um die Mehrheiten auf dem 
Capitol Hill zu verändern. Nur dann wird der Präsident für den Rest 
seiner Amtszeit auch besser regieren können.
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