Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Pakistan

Was geht in den Köpfen von Radikalen vor? In
einem fingierten Gespräch gibt der große Frankreich-Kenner Friedrich
Sieburg die Stimmung zur Zeit des Terrors wieder. »Ja«, meint Saint
Just, Ideologe und Anhänger Robespierres, zu dem Maler David, »ich
bin ein Mann des Schreckens, weil mir die Republik wichtiger ist als
der Mensch. Wer das Glück aller will, der kann auf den einzelnen
Menschen keine Rücksicht nehmen«.

So dachten vor 200 Jahren die Menschen in Europa. Doch dieses
Denken ist im Morgenland tödliche Gegenwart. Heute in Pakistan,
Syrien und Irak, morgen in Afghanistan, übermorgen in Amman, Algier
oder Aden. Und die Ausläufer dieses Denkens sind auch in London,
Madrid oder Sydney zu spüren. Der frühere Erzbischof von Sydney,
Kardinal Pell, meinte einst, die säkulare liberale Demokratie sei
leer und selbstbezogen, der Islam zeige sich als alternative
Weltanschauung, er sei die Revolution, der Kommunismus des 21.
Jahrhunderts.

Aber der pakistanische Terror ist auch hausgemacht. Denn die
Taliban sind eine Ausgeburt des pakistanischen und amerikanischen
Geheimdienstes vor gut dreißig Jahren, als die Sowjets Afghanistan
besetzt hielten. Ihre Geisteshaltung stammt aus den Koranschulen
Pakistans, die noch heute überwiegend als radikal einzustufen sind.
Seit die Taliban sich jedoch selbständig gemacht haben, sind
Geheimdienst und Armee in Pakistan ihr Feind. Ähnlich wie in Ägypten
ist die Armee in Pakistan ein Staat im Staate, mit eigenen
Geschäften, Schulen und Wohnvierteln.

Die Taliban wollen Musik verbieten, Bildung islamisch reduzieren
und Frauen wieder zum, wie es im Koran heißt, »Saatfeld des Mannes«,
degradieren. Eben die Natur verhaften. Deshalb herrscht Krieg
zwischen Armee und den Kriegern Allahs.

Die Opfer sind Frauen und Kinder. Jetzt in der Schule von
Peshawar, gestern in den Tälern Wasiristans, den Rückzugsgebieten der
Taliban im Nordwesten. Dort verfolgt die Armee die Taliban und
hinterlässt verbrannte Erde. Die Taliban sollen so geschwächt werden,
dass sie in Afghanistan auch nach dem Abzug der internationalen
Truppen keine Schlagkraft mehr entwickeln und das Regime in Kabul
nicht gefährden können.

Schon gar nicht sollen sie den Atomstaat Pakistan destabilisieren.
Über dreißig Atombomben plus passende Raketen verfügt die
pakistanische Armee. Diese Atomwaffe in den Händen der Taliban – das
wäre der Ernstfall für die Welt. Der Krieg zwischen Armee und Taliban
wird weitergehen. Weder Washington, Peking, Neu Delhi noch die
Europäer können diesen Ernstfall zulassen. Dafür denken die Taliban
zu radikal und handeln ohne Rücksicht auf Verluste. Peshawar hat es
gezeigt. Man wird die Armee als das kleinere Übel unterstützen, im
eigenen Interesse, diskret und effektiv. Und es wird noch viele Opfer
geben.

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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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