Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu PID

Es ist gut, dass der Bundestag in der
schwierigen Frage der Präimplantationsdiagnostik (PID) eine
Entscheidung getroffen hat. Die gestern abgeschlossene
Meinungsbildung der 594 Volksvertreter ist selbst von denen zu
begrüßen, die das Mehrheitsergebnis nicht gutheißen mögen oder
können. Tatsache ist, dass eine große ethische, ja auch normative,
weil Maßstäbe setzende Debatte geführt und zu einer schlussendlichen
Festlegung gebracht wurde. Jetzt also die Freigabe der PID in engen
Grenzen. Das ist zu begrüßen. Auf Anhieb fand dieser Vorschlag im
Bundestag eine Mehrheit, vor allem weil in dem langen und von
Parteigrenzen losgelösten Ringen zwei Dinge deutlich wurden:
Designerbabys wird es auch mit dieser »Freigabe« genannten Lösung
definitiv nicht geben. Außerdem: Es soll sich künftig nur um einige
100 Fälle pro Jahr in ganz Deutschland handeln. Beide Aspekte werden
Politik und Publizistik in den kommenden Jahren gewiss sehr genau im
Auge behalten. Der Blick für Verstöße und Missbrauch der neuen
Möglichkeiten ist geschärft. Mehr noch: In der Tat stehen Menschen
vor dem Zwang zur Selektion, weil es plötzlich Möglichkeiten gibt,
die der Menschheit noch nie zur Verfügung standen. Die Medien werden
wachsam sein; der Politik ist es unbenommen in fünf oder zehn Jahren
kritisch zurückzuschauen und gegebenenfalls Gesetze wieder zu ändern.
Ja, die Entscheidung von Eltern, im Rahmen einer künstlichen
Befruchtung das Risiko einer tatsächlich drohenden Erbkrankheit
auszuschließen, bedeutet ein Urteil über Leben und Tod. Darin
eingeschlossen ist die Anmaßung einer Position, die nach christlicher
Grundüberzeugung allein Gott dem Schöpfer zusteht. Künftig werden
betroffene Paare mit ihrem Arzt das Für und Wider besprechen. Ein
Berater wird eingeschaltet und eine Ethikkommission den Fall im
Hintergrund prüfen. Vor allem aber werden die künftigen Eltern die
PID-Frage höchst privat wägen und entscheiden. Der Staat hält sich
raus. Er muss nicht alles bis ins Letzte regeln. Die Politik hat
einen Rahmen für nur einige hundert Fälle gesetzt. Punkt. Damit
sollte eine freiheitliche, aufgeklärte Gesellschaft zurecht kommen.
Und: Natürlich gibt es die Befürchtung, dass am Ende alles gemacht
wird, was medizinisch-technisch möglich ist. Der unaufhaltsame
Fortschritt wird uns vor weitere, im wahrsten Wortsinne
lebenswichtige Grundsatzfragen stellen. Deshalb gilt es, aufmerksam
zu bleiben und den ethischen Diskurs jetzt nicht abreißen zu lassen.
Wenn aber auch künftige Auseinandersetzungen um das gesellschaftliche
Grundverständnis vom Menschen und seiner Bestimmung auf gleich hohem
Niveau geführt werden, wie die gestern beendete Debatte, muss einem
nicht bang sein vor der nächsten.

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Andreas Kolesch
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