Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thomas de Maizière

Die Positionen sind so eindeutig wie
unvereinbar: Während Union und FDP Verteidigungsminister Thomas de
Maizière von jeder Schuld freisprechen, werfen SPD, Grüne und Linke
ihm Versagen vor. In ihrer Bewertung der Arbeit des
Untersuchungsausschusses zur »Euro Hawk«-Affäre ist sogar von
Täuschung der Öffentlichkeit die Rede. Fakt ist, dass Steuergelder in
dreistelliger Millionenhöhe geflossen sind – und die Bundeswehr immer
noch kein dringend benötigtes Aufklärungsflugzeug hat. Mag sein, dass
sich die Beobachtungstechnik der Skandaldrohne in ein anderes
Flugzeug, ob bemannt oder unbemannt, einbauen lässt. Doch wie teuer
das den Steuerzahler kommt und ob das System auch nur annähernd in
der Leistungsklasse der »Euro Hawk« spielt, ist unklar. Militärs
sehen die Soldaten im Nachteil. Im Feld kann ein Nachteil
Menschenleben kosten. Hatte »Allzweckwaffe« de Maizière nicht genug
Zeit, sich in die komplizierte Materie einzuarbeiten? Musste er
Fehler auszubügeln, die auch auf seine Vorgänger – von »Euro
Hawk«-Geburtshelfer Rudolf Scharping (SPD) bis Franz Josef Jung (CDU)
– zurückgehen? Von einem Minister darf man mehr erwarten, zumindest
aber, dass er Fehler einräumt. Aber es ist nicht allein die Drohne,
die de Maizière zu schaffen macht. Auch andere Rüstungsvorhaben
scheinen aus dem Ruder zu laufen, womöglich weil der Steuermann nicht
fest genug ins Rad greift. Bei der Neuausrichtung der Bundeswehr hat
der Verteidigungsminister 2011 entschieden, die Hauptwaffensysteme an
den aktuellen Bedarf der Bundeswehr anzupassen. Allerdings galt es,
Verträge zu erfüllen, und deshalb zog der Minister mit den
Rüstungskonzernen auf einen orientalischen Basar um: Wir kaufen Euch
etwas weniger »Tiger«-Kampfhubschrauber und NH90-Transporthelikopter
ab, dafür nehmen wir aber 18 Marinehubschrauber aus der NH90-Serie.
Die Bundeswehr hätte wohl lieber Sikorsky-Maschinen gehabt, aber
niemand hörte auf die Meinung der Soldaten. EADS-Tochter Eurocopter
jedenfalls scheint – und das ist verdächtig – zufrieden. Aber jetzt
hat die Öffentlichkeit Wind von der windigen Transaktion bekommen und
die Frage muss gestattet sein, ob das alles im Sinne der Soldaten wie
des Steuerzahlers ist. Die Opposition fordert lautstark den Rücktritt
des Ministers. Doch das scheint vier Wochen vor der Wahl praktisch
ausgeschlossen. Union und FDP halten zu de Maizière. Besonders
Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkt ihm den Rücken. Nicht nur, dass
ein nicht ganz freiwilliger Rücktritt das Vertrauen des Kabinetts in
die Kanzlerin ankratzen könnte, er ist ihr auch eine persönliche
Stütze. Alles deutet darauf hin, dass de Maizière im Amt bleibt, bis
am 22. September die Karten neu gemischt werden. Und das große
Stühlerücken beginnt. Vielleicht ist ja noch ein anderer Stuhl frei,
der nicht im Verteidigungsministerium steht. Auf dem des
Innenministers hat de Maizière schon einmal eine gute Figur gemacht.

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