Während die Ermittlungen der Hintergründe des
Blutbads im kalifornischen San Bernardino noch in den Anfängen
stecken, lässt sich eines mit Gewissheit sagen: Das Killer-Pärchen
hatte kein Problem, sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Nicht einmal
der Eintrag auf einer Flugverbots-Liste für Personen unter
Terrorverdacht hätte sie am Kauf ihrer Mordwerkzeuge gehindert.
Bei Routineanfragen in den Waffenläden wird nur gerprüft, ob die
Interessenten straffällig geworden sind. Wer Online bestellt oder zu
einer »Gun-Show« geht, erhält die Ware ohne lästige Fragen.
Die Waffenlobby NRA und deren Helfershelfer im Kongress bieten auch
nach San Bernardino wieder nicht mehr als ihre Gebete an. Doch warum
sollte es diesmal anders sein als nach den anderen 355 Schießereien
mit mehr als vier Toten in diesem Jahr. In dieser
waffen-besessenen Nation kommen jährlich 30 000 Menschen durch
Schusswaffen ums Leben.
Weder das Massaker an den Grundschülern in Newton noch das
Abschlachten von Kirchenbesuchern in Charleston haben die Verteidiger
des Waffenkults zu bescheidenen Gesetzesänderungen erweichen können.
Die liberalen Eliten in den Ballungszentren und entlang der Küsten
mögen die Politiker noch so oft als Feiglinge beschimpfen. Nur ändern
wird das nichts. Denn auch die Repräsentanten und Senatoren wollen
wiedergewählt werden. Jüngste Umfragen belegen, dass die Bürger mehr
denn je glauben, der Besitz einer Waffe mache sie sicherer.
Das verlangt nach einer Erklärung. Der Western-Held und
langjährige NRA-Chef Charles Heston bot eine an, als er in einer
umjubelten Rede im Jahr 2000 das Credo des Waffenkults formulierte.
Aus seinen kalten, toten Händen müsse man ihm seine Waffe wegnehmen,
gelobte Heston. Am ehesten vergleichbar ist dieser Kult vielleicht
mit dem um das Auto in Deutschland. Stichwort »Freie Fahrt für freie
Bürger«. Wer hier eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung
fordert, holt sich eine blutige Nase. So ähnlich ist das Verhältnis
der Amerikaner zu ihren Schießeisen. Sie verkörpern das aus Metall
geschlagene Abwehrrecht der Bürger gegen den Anspruch des Staates.
Ein Sturmgewehr als Freiheitssymbol macht so viel Sinn wie ein
hochgezüchteter Porsche im Stau auf der Autobahn.
Mit dem Unterschied, dass es in den USA einen Passus in der
Verfassung gibt, den der Supreme Court als individuellen
Rechtsanspruch auf den Besitz einer Waffe auslegt. Zu glauben, die
300 Millionen Waffen in den USA ließen sich aus dem Verkehr ziehen,
entspringt reinem Wunschdenken. Möglich sein sollte es dagegen, den
Zugang zu regeln. Nur so lässt sich verhindern, dass sich mental
Kranke, Rassisten und nun auch Terroristen allzu leicht bewaffnen
können. Alles andere wäre – wie die New York Times so treffend
kommentiert – »eine nationale Schande«.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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