Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Westerwelle

Guido Westerwelle darf weitermachen. Vorerst.
Doch alle Treueschwüre klingen hohl. Die Absetzbewegungen sind
unübersehbar, in der FDP und erst recht beim Koalitionspartner.
Schwarz-Gelb isoliert seinen Außenminister. Westerwelle arbeitet auf
Abruf. Das ist ein Armutszeugnis für den Amtsinhaber, stellt aber
auch die gesamte Regierung bloß. Bundeskanzlerin Angela Merkel und
ihr Stellvertreter, der FDP-Chef Philipp Rösler, müssen sich
entscheiden. Entweder sie weisen dem Außenminister die Tür oder sie
zeigen echte Loyalität. Für eine Hängepartie aber ist das
Außenministerium zu wichtig und die weltpolitische Lage zu unruhig.
Auch hat das deutsche Ansehen schon genug Schaden genommen.
Westerwelle mit Blick auf die Libyen-Frage zum alleinigen Schuldigen
zu machen, mag bequem sein, trifft die Wahrheit aber nur zum Teil.
Wohl hat der Außenminister mit dem völlig wirklichkeitsfremden
Lobpreis auf seine Sanktionspolitik für große Verärgerung gesorgt.
Doch liegt Deutschlands Versagen zuerst in der Stimmenthaltung im
Weltsicherheitsrat begründet. Und darüber hat Westerwelle sicher
nicht allein befunden. So hätte Angela Merkel eigentlich sagen
müssen: »Meine Regierung hat sich geirrt. Gut, dass die Nato-Partner
anders entschieden haben.« Doch davon kam der Kanzlerin kein Wort
über die Lippen. Musste es auch nicht, weil ihr Außenminister mal
wieder alle Kritik auf sich gezogen hatte. Seine Kehrtwende vom
Wochenende ändert daran nichts. Im Gegenteil, wirkt sie doch wenig
glaubwürdig und bloß dem eigenen Machterhalt geschuldet. Längst ist
das Bild komplett. Guido Westerwelle ist zum Synonym für das
schwarz-gelbe Versagen geworden. Das ist übertrieben, weil nicht nur
der Außenminister in den vergangenen zwei Jahren auf ganzer Linie
enttäuscht hat. Doch es ist zugleich treffend, weil Westerwelle eben
so viel mehr als nur Minister war. Er ist nichts weniger als der
Architekt dieser Regierung. Als FDP-Chef hat er diesem Bündnis über
Jahre zugestrebt und es mit dem Wahlerfolg seiner Liberalen erst
möglich gemacht. Auch hat er die Koalition ganz wesentlich
geschmiedet – inhaltlich wie personell – und sie als Stellvertreter
Merkels mitgeführt. Allein deshalb trägt er die Hauptverantwortung
für den beispiellosen Absturz seiner FDP, der inzwischen das gesamte
Regierungslager mitzureißen droht. Beschweren dürfte sich Westerwelle
also sicher nicht, wenn er nach dem FDP-Vorsitz und der
Vizekanzlerschaft nun auch noch den Posten des Außenministers abgeben
müsste. Eine Garantie für besseres Regieren ist damit jedoch nicht
verbunden. So ist der Führungswechsel bei den Liberalen weitgehend
wirkungslos geblieben. Gerade aber weil der neue FDP-Chef Rösler
bisher nicht liefern konnte, könnte er nun versucht sein, seinen
Vorgänger Westerwelle auszuliefern.

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