Die Wirtschaft brummt, immer mehr Menschen haben
einen Job, die Zahl der Arbeitslosen ist so niedrig wie lange nicht –
zehn Jahre nach der Finanzkrise geht es uns gut in Deutschland. Aber
bleibt es auch so? Ist der jüngste Kursrutsch an den Börsen
vielleicht das erste Anzeichen eines bevorstehenden Absturzes der
Wirtschaft? Müssen Steuerzahler wieder Banken vor einem Kollaps
retten, weil Kredite nicht zurückgezahlt werden und Millionen Sparer
an ihr Geld wollen? Damit genau das nicht passiert, hat die
europäische Bankenaufsicht EBA jetzt zum dritten Mal nach 2014 und
2016 einen Stresstest für so genannte systemrelevante Banken in
Europa durchgeführt. Simuliert wurde dieses Krisenszenario: Europas
Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosenquote steigt, die Preise für
Wohnimmobilien rutschen in den Keller. Vor diesem Hintergrund ging es
um die Frage: Reicht die Kapitalbasis der Banken aus, um auch bei
Kreditausfällen zu überleben? Denn klar ist: Ein Zusammenbruch des
Finanzsystems hätte nicht nur für Europa fatale Folgen. Das Beben
würde um die Welt gehen. Die Bankaufseher sehen einen Wert von 5,5
Prozent Eigenkapital als Minimum dessen, was Banken in Krisenzeiten
noch vorweisen sollten. Erfreulich ist das am Freitag veröffentlichte
Ergebnis: Alle acht untersuchten deutschen Banken haben den Wert
überschritten. Anders gesagt: Sie würden eine Krise beherrschen. Noch
vor vier Jahren rasselten im Euroraum 25 von 130 Instituten durch.
Gleichwohl sind die Erfahrungen vergangener Tests eher durchwachsen.
Bei dem Stresstest im Jahr 2010 etwa – der fiel in die Zeit vor der
EBA – fielen nur Institute durch, von denen es erwartet worden war:
in Deutschland etwa der mit Steuermilliarden gerettete
Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate. In Irland musste der Staat
kurz nach dem Test zunächst unauffällige irische Banken auffangen.
Ein Jahr später schnitt die belgisch-französische Dexia-Bank glänzend
ab – und dann wurde sie wenig später doch als erstes großes Opfer der
Euro-Schuldenkrise zerschlagen. Entscheidend ist die Qualität der
Tests. Das heißt auch, welche Kriterien zugrunde gelegt werden. Im
Fall des Stresstests 2018 kann man durchaus kritisieren, dass das
Risiko eines Ausfalls von Staatsanleihen nicht ausreichend
berücksichtigt wurde. Ferner profitierten Banken mit vielen
ausfallgefährdeten Krediten, weil sie die angenommenen Zinseinkünfte
aus solchen Krediten einrechnen durften. Hier wurden in gewisser
Weise faule Kredite belohnt – fatal. Beides kam den italienischen
Banken zugute. Sie halten einerseits hohe Bestände an Wertpapieren
ihres Staates. Andererseits haben sie einen Berg von Problemkrediten
in ihren Büchern. Vielleicht ist daher keine der vier geprüften
italienischen Banken durchgefallen. Wenn aber das derzeit völlig
überschuldete Italien ähnlich wie damals Griechenland zahlungsunfähig
würde, wäre eine Rettung angesichts der viel höheren Summen kaum
möglich. Fazit: Der Stresstest kann Probleme aufzeigen und er hat
Fortschritte beim Eigenkapitalpuffer der Banken bewiesen, was auch
für uns Bürger gut ist. Aber ganz ehrlich war er auch nicht.
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