Nicht einmal in der Sommerpause kommt der Streit
um das Betreuungsgeld zur Ruhe. Im Gegenteil: Der Ton wird immer
rüder. Konnte man bisher schon an dem durch und durch diffamierenden
Begriff »Herdprämie« verzweifeln, so legte SPD-Vize Manuela Schwesig
am Wochenende mit der Vokabel »Gebärmaschine« noch einmal kräftig
nach. Längst hat die Debatte eine Schärfe bekommen, dass man glauben
könnte, es gehe um eine letzte Wahrheit. Ganz offensichtlich sind
die Kritiker des Betreuungsgeldes bereit, nicht nur den Befürwortern
dieser neuen staatlichen Leistung jeden guten Willen abzusprechen,
sondern potentielle Empfänger gleich mit zu verunglimpfen. In einer
merkwürdigen Allianz aus Kapitalismus – »die Wirtschaft kann keinen
Tag länger auf eine gut ausgebildete junge Frau verzichten, sie
verzichtet ja eh schon so lange, wenn diese Frau ein Kind bekommt« –
und Kommunismus – »Kinder sind am besten aufs Leben vorzubereiten,
wenn sie möglichst früh möglichst wenig Zeit mit ihren Eltern
verbringen und stattdessen von Staats wegen erzogen werden« – wird
agitiert statt argumentiert. Von wegen freier Elternwille. Von wegen
soziale Verantwortung der Wirtschaft. Von wegen bindungstheoretische
Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie. Das alles verwundert umso
mehr, da es in der Tat eine Reihe triftiger Argumente gegen das
Betreuungsgeld gibt. Konkret birgt es – wie viele gut gemeinte
Förderinstrumente – die Gefahr der Fehlsteuerung. Und grundsätzlich
kann man fragen, ob das Ziel einer kinderfreundlicheren Gesellschaft
durch weitere Einzelmaßnahmen überhaupt zu erreichen ist. Schließlich
muss gerade eine schwarz-gelbe Regierung erklären, wie ein solches
Vorgehen mit ordnungspolitischen Grundsätzen zu vereinbaren ist.
Offensichtlich haben Union und FDP aus dem Hotelsteuer-Debakel nicht
viel gelernt. Auch da hatten sich die Koalitionäre auf das
Klein-Klein zurückgezogen, weil sie einen größeren Wurf im
Steuerrecht nicht wagen wollten. Nun ist es bei der Familienpolitik
ähnlich. Dabei gibt es sicher bessere Mittel als das Betreuungsgeld,
um die Erziehungsleistung der Eltern zu würdigen. So wird die
Auseinandersetzung weitergehen. Das ist in der Sache richtig und
wichtig, auch wenn man sich dringend eine andere Wortwahl wünscht. Ob
jedoch im angemessenen oder im anmaßenden Ton – was nutzen alle
Debatten, so lange Gerichte zu befinden haben, ob es Tagesmütter in
Mietshäusern geben darf? Man muss bedauern, dass der
Bundesgerichtshof im aktuellen Fall in Köln wegen Verfahrensfehlern
kein Urteil gefällt hat. Wenn die Kläger gegen den Kinderlärm nämlich
Recht bekommen hätten, wüssten wir, dass Streitereien wie die ums
Betreuungsgeld so oder so überflüssig sind: Kinderfreundlich wird
eine Gesellschaft nämlich nicht auf Beschluss der Politik.
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