Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Breivik-Prozess

Das hat man selten, ist aber in einem derart
außergewöhnlichen Prozess wie dem in Oslo voll akzeptabel:
Verteidiger Geir Lippestad ist am Freitag beim letzten
Verhandlungstag kurzzeitig auf größtmögliche Distanz zu seinem
Mandaten, den Massenmörder Anders Behring Breivik, gegangen. Als er
zögerte, Freispruch zu fordern, und erst von Breivik dazu gedrängt
werden musste, setzte Lippestad ein kluges Signal. Das war nicht
Mandantenverrat, sondern Ausdruck selbstbewusster und offener
Verteidigungsführung. Natürlich hat jeder Angeklagte, auch der Mörder
von 77 wehr- und arglosen Menschen, ein Recht auf juristischen
Beistand in einem rechtsstaatlichen Prozess. Aber es ist gut, dass
der Verteidiger eines Monsters nicht dessen Zwilling im Geiste sein
muss, sondern immer eine eigene Persönlichkeit bleibt. Diesem kleinen
Aspekt im Jahrhundertprozess norwegischer Rechtsgeschichte dürfte
künftig ein eigenes Kapitel gewidmet sein. Der Vorgang wäre ohne die
liberale, gelassene und trotzdem bemüht konsequente Rechtspraxis, die
dieses Land auszeichnet, nicht vorstellbar.

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