Es ist ein frischer Wind, der durch die
EU-Institutionen weht. Am Ende dieses Jahres voller personeller und
organisatorischer Neuanfänge steht die Union nicht nur endlich mit
einem Haushalt da, der sogar das Etikett »Spar-Etat« verdient. Sie
wird sich auch auf ein gewaltiges Investitionsprogramm verständigen,
dass zum Arbeitsplan von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
passt. Dem ist in den vergangenen Tagen tatsächlich das Kunststück
gelungen, nicht nur vielbeachtete Akzente zu setzen – beispielsweise
die Förderung der Industrie und hier besonders der Luftfahrt. Er hat
auch noch gleich 80 Uralt-Gesetze gestrichen, deren Verwirklichung
entweder aussichtslos oder überflüssig war. Europa ist startklar für
das Jahr 2015.
Doch die Aufbruchs- und Entschlossenheits-Parolen sollen nicht nur
andere mitreißen, sondern auch die EU-Akteure selbst. Die
Gemeinschaft steht nach diesem Jahr mit dem Rücken zur Wand. 25
Millionen Arbeitslose, darunter so viele junge Menschen, dass schon
von einer »verlorenen Generation« gesprochen wird – das tut weh. Bei
den Europawahlen sind zahlreiche Wähler zu Hause geblieben. Dafür
haben andere die Kritiker und Gegner dieser Gemeinschaft ins
Parlament geschickt. Die Botschaft war klar: Es darf kein »Weiter so«
dieser Union geben.
Europa gehen die Europäer aus. Oder um es anders zu sagen: Diese
Kommission muss nun ebenso wie das Parlament und die Mitgliedstaaten
endlich Ergebnisse liefern. Wenn die Wirtschaft nicht ans Laufen
kommt, wenn die Arbeitslosigkeit nicht sinkt, wenn die
Energiesicherheit nicht endlich geschaffen werden kann, wenn der
Klimaschutz nicht funktioniert – dann werden die Bürger sich noch
radikaler von allem abwenden, was mit »Brüssel« und »Straßburg«
suggeriert wird, weil man dieser Gemeinschaft nicht mehr die
Fähigkeit zu Lösungen zutraut.
Nun hat Juncker mit seinem Team schon ein Wahlversprechen
eingelöst und sich von lästigen und überflüssigen Regelungswerken
getrennt. Weil die EU tatsächlich nicht dazu da ist, sich in allen
und jeden Lebensbereich einzumischen. Das gilt, auch wenn weiter
Wasserkocher und Spülmaschinen gedrosselt werden, um die
Energieeffizienz zu erhöhen. Aber viel entscheidender ist die
Tatsache, dass das Projekt Europa von dem Ruf befreit wird, nicht
mehr als ein unsozialer, kalter Binnenmarkt mit einer überbordenden
Bürokratie zu sein. Genau dieses Konstrukt hat der frühere
Kommissionspräsident hinterlassen. Es war zu wenig.
Europa braucht eine neue Vision, die wahr wird. Dazu gehören Jobs,
florierende Unternehmen und soziale Errungenschaften, für die es sich
lohnt, an diese EU zu glauben. Keine Frage: Am Ende dieses Jahres hat
sich Brüssel überzeugend und gut aufgestellt. Doch nun muss die
Selbstbeschäftigung zu Ende sein und gearbeitet werden. Ergebnisse,
positive Zahlen, Aufwärtstrends – das sind die Schlagworte, über die
man am Ende des nächsten Jahres reden möchte.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261