Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Euro-Gipfel

Der Euro ist vorerst gerettet. Und endlich
helfen die Banken und Versicherungen mit, den Karren aus dem Dreck zu
ziehen. Der Gipfel von Brüssel war gut – für Europa, Griechenland,
Deutschland und für Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin und auch
Nicolas Sarkozy haben einen hervorragenden Job beim zehnstündigen
Verhandlungsmarathon gemacht. Ob ihnen der ganz große Wurf zur
dauerhaften Rettung Griechenlands gelungen ist, wird man sehen. Fakt
ist aber, dass Europa seine Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Der
Politik ist es gelungen, sich gegen die Banken durchzusetzen. Das ist
ein starkes Signal, auf das viele gewartet haben. Die Kreditinstitute
beteiligen sich mit 100 Milliarden Euro an der Rettung Griechenlands.
Sie verzichten auf gut die Hälfte ihrer Forderungen gegen das Land.
Den Löwenanteil mit 30 Milliarden Euro tragen die Griechen selbst.
Spanien übernimmt 26 Milliarden, Italien 15 Milliarden, Frankreich
knapp neun Milliarden und deutsche Geldinstitute sind mit »nur« 5,2
Milliarden Euro dabei. Dass die Banken sich nur auf freiwilliger
Basis an der Rettung beteiligen, ist die Kehrseite der Medaille. Die
verpflichtende Teilnahme am Schuldenschnitt ist deshalb ausgeblieben,
weil die Ratingagenturen nicht verschreckt werden sollten. Dennoch
ist offen, wie dieses Programm der freiwilligen Rettung umgesetzt
wird, welche Banken am Ende tatsächlich mitmachen und ob sie diese
Last überhaupt schultern können. Klar ist, dass die Geldinstitute
viel frisches Kapital benötigen werden. Es bleibt abzuwarten, woher
sie die gewaltigen Summen nehmen. Durch Einschränkungen bei der
Kreditvergabe? Eine Teilverstaatlichung? Durch neues Zocken an den
Börsen? Oder steigen die Chinesen als Investoren groß ins europäische
Bankensystem ein? Auch wenn noch längst nicht sicher ist, dass die
Finanz-Großbaustelle Europa dauerhaft beseitigt werden kann: Mit dem
Beschluss von Brüssel ist Europa der Rettung des Euro ein gutes Stück
näher gekommen. Wichtig ist jetzt, dass auch hochverschuldete Länder
wie Portugal, Spanien und Irland ihre Sparziele erreichen – zur Not
auch mit Zwang. Für weitere Stabilität an den Finanzmärkten wird
Silvio Berlusconis längst überfälliger Abgang Ende des Jahres sorgen.
Die Bundeskanzlerin ist die Siegerin von Brüssel. Merkel macht sich
mehr und mehr um Europa verdient. Das Ende des Gipfels war gut, aber
damit ist längst noch nicht alles gut. Die Finanz- und Schuldenkrise
bleibt d i e Herausforderung der Zukunft und wird einen langen Atem
brauchen. Es ist ein Marathon und kein Sprint erforderlich, wie
Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu Recht sagt. Europa geht
gestärkt aus dem Gipfel. Angela Merkel hat wieder einmal gepunktet.
Mit dem Rückenwind aus Brüssel kann sie auch dem Bundesparteitag in
Leipzig in gut zwei Wochen gelassen entgegen sehen.

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