Stützen oder stürzen – die FDP hat sich auch
beim Dreikönigstreffen in Stuttgart nicht entscheiden können, welchen
Umgang sie mit ihrem Vorsitzenden Philipp Rösler denn nun pflegen
will. Fürs Erste bleibt also alles wie gehabt: Niebel attackiert,
Brüderle taktiert und Rösler schwadroniert. Mit seiner Rede hat der
39- Jährige die Partei jedenfalls nicht zu begeistern vermocht. Und
seinen internen Kritikern hatte Rösler nicht mehr als die fast schon
verzweifelte Bitte um Geschlossenheit entgegenzusetzen. Das Bild
drängt sich auf: Da kämpft einer um sein Amt und um sein Ansehen –
mit aller Macht zwar, doch auch merkwürdig machtlos. Mit seinem
hölzernen Auftreten und seinen ungelenken Aussagen ist Rösler das
Sinnbild für den schlechten Zustand der FDP. Dass der Vorsitzende
diesen Zustand nicht allein verantwortet, hilft ihm wenig. Denn
Rösler ist nicht in der Lage, der Partei eine Seele zu geben. An
Guido Westerwelle ist oft und zu Recht kritisiert worden, dass er die
Liberalen auf das Thema Steuersenkung reduziert hatte. Doch mit Blick
auf seinen Nachfolger muss man sagen: Westerwelle hatte wenigstens
ein Thema – und das wusste er über viele Jahre geschickt zu
intonieren, nach innen wie nach außen. Röslers Sätze hingegen wirken
wie einstudiert. Da ist nirgendwo eine politische Utopie, und da ist
nirgendwo hinreichende Konkretion, für die die FDP-Mitglieder durchs
Feuer zu gehen bereit wären. So springt der Funke selbst dann nicht
über, wenn der Vorsitzende – wie auch gestern wieder – sattsam
bekannte liberale Grundsätze herunterbetet. Rösler hat die
Hoffnungen, die seine Partei in ihn gesetzt hat, nicht zu erfüllen
vermocht. In zugegeben schwerer Zeit ist er dem Amt des Vorsitzenden
nicht gewachsen – ebenso wie ihm die Schuhe des Vizekanzlers stets
ein paar Nummern zu groß bleiben werden. Für beide Erkenntnisse muss
man den 20. Januar nicht abwarten. Trotzdem ist er der nächste Tag
der Entscheidung. Mit der Wahl in Niedersachsen werden die Karten neu
gemischt. Fliegt die FDP aus dem Landtag, sowieso. Aber auch, wenn
sich die Liberalen knapp ins Parlament retten, muss nichts bleiben,
wie es ist. Ja, sogar wenn es wieder für Schwarz-Gelb reichen sollte,
kann sich Rösler seiner Ämter nicht sicher sein. Zu laut sind zuletzt
die Stimmen derjenigen liberalen Spitzenpolitiker geworden, die ein
Vorziehen des Bundesparteitages fordern. Allen vorweg die Altvorderen
um Hans-Dietrich Genscher fürchten um nicht weniger als die
Zukunftsfähigkeit der FDP. Rösler ist zu klug, um das nicht zu
wissen. Und so hat er am Ende wohl nur die Wahl, sich dem Druck zu
beugen oder den Weg von sich aus frei zu machen. Schafft seine Partei
in Niedersachsen doch noch den Erfolg, könnte ihm Letzteres sogar
gelingen, ohne das Gesicht zu verlieren. Mehr aber ist nicht mehr
drin.
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