Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Flugzeugabsturz

Nein, auch am Tag nach der Katastrophe gibt es
keine Erklärung dafür, weshalb der Flug 4U9525 an einer Felswand in
den französischen Alpen ein so dramatisches Ende nahm. Die erste
Auswertung des Stimmrekorders der Germanwings-Maschine erbrachte kaum
Aufschlüsse – zumindest für die Öffentlichkeit.

Denn der Sprecher der französischen Luftfahrtermittlungsbehörde
BEA sagte so gut wie nichts zu dem, was die Experten bisher
herausgefunden haben. Weder die Sprache, die im Cockpit gesprochen
wurde, noch wie viele Personen zu hören waren, wollte der
BEA-Vertreter nennen. Dazu sei es noch zu früh. Bestätigt wurde
lediglich, dass es eine Audiodatei mit Geräuschen und Stimmen gebe
und die Aufzeichnungen bis zum Aufprall liefen. Ob aber auch die
Stimmen bis zu diesem Zeitpunkt zu hören waren, dazu wollte sich der
Sprecher nicht äußern.

Weshalb? Die Antwort darauf kann eigentlich nur lauten, dass er
nicht zu viel verraten wollte. Denn schon das einmalige Abhören des
Rekorders sollte zumindest darüber Aufschluss gegeben haben, ob die
Gespräche im Cockpit frühzeitig abbrachen. Das wiederum hätte neue
Hinweise auf eine mögliche Ursache des Unglücks gegeben. Und die
wollen die Ermittler derzeit wohl noch nicht an die Öffentlichkeit
kommen lassen – vermutlich auch, um allen denkbaren Spekulationen und
Thesen keinen neuen Nährboden zu geben. Denn Theorien und
Denkmodelle, weshalb die A320 der Germanwings kurz nach dem Erreichen
der Reisehöhe plötzlich in einen – anscheinend auch noch
kontrollierten – Sinkflug überging, gibt es einige. Wirklich
schlüssig aber ist nicht eine davon. Erst wenn die Aufzeichnungen des
Stimmrekorders und auch des Flugschreibers, der noch nicht gefunden
wurde, ausgewertet worden sind, sollte dieses Rätsel gelöst werden.
Doch bis dahin können Wochen, wenn nicht Monate vergehen.

Eine lange Zeit auch für die Angehörigen der Menschen, die beim
Absturz ihr Leben verloren. Die Familien werden sich aber nicht nur
bei der Beantwortung dieser Frage in Geduld üben müssen. Weitaus
schlimmer dürfte das Warten darauf sein, die sterblichen Überreste
zur letzten Ruhe tragen zu dürfen. Wer die Bilder von der
Absturzstelle sieht und die Kommentare der Helfer hört, die davon
sprechen, dass sich das Flugzeug »pulverisiert« habe, der kann
ermessen, wie schwer es sein wird, die Opfer zu bergen und dann ihre
Identität festzustellen.

Es muss ein schreckliches Gefühl für Angehörige sein, wenn
Ermittler vor der Tür stehen und um Haar- oder Zahnbürsten für einen
DNA-Abgleich bitten. Schon die Trauer um den so unerwarteten und
unfassbaren Verlust eines geliebten Menschen erfordert unglaubliche
Stärke. Hoffen wir, dass es Freunde oder Nachbarn gibt, die dabei
helfen. Und schenken wir alle den Betroffenen unsere Gedanken und
Gebete, um ihnen die notwendige Kraft zu geben.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261