Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Freispruch George Zimmermans in den USA

Todesschütze freigesprochen

Wenn Rassismus »normal« ist Von Bernhard Hertlein Die USA haben
einen Albtraum. Dieser Albtraum führt zurück in eine Zeit, in der ein
Teil der Bevölkerung bereit war, für das Recht auf Sklavenhaltung
sogar zu sterben. Zurück auch in die 100 Jahre danach, in der
Menschen nur wegen ihrer Zugehörigkeit zur schwarzen Rasse
diskriminiert und ihnen fundamentale Rechte vorenthalten wurden. Am
28. August ist es 50 Jahre her, dass Martin Luther King in Washington
von seinem Traum einer diskriminierungsfreien Gesellschaft predigte.
Doch obwohl mit Barack Obama nun sogar ein Farbiger Präsident ist,
haben die USA den Albtraum nicht endgültig überwunden. Die
Diskriminierung ist bis in die Statistiken der Justiz nachweisbar: 48
der 100 mutmaßlichen Straftäter, die seit August 2007 in Texas
hingerichtet wurden, waren »Blacks« – beim Bevölkerungsanteil von
12,3 Prozent. In Florida muss der Freispruch für den vermutlichen
Mörder ihres Sohnes den Eltern Trayvon Martins wie ein Albtraum
erscheinen. Dabei sollte den Geschworenen zugute gehalten werden,
dass ihnen immer wieder eingetrichtert wurde, dass sie George
Zimmerman nur verurteilen dürfen, wenn sie zu 100 Prozent davon
überzeugt sind, dass er sich in dem Augenblick der Tat selbst nicht
in einer Notwehrsituation wähnte. Der Albtraum der Eltern steht in
Verbindung mit einem amerikanischem Traum: Jeder Bürger – in erster
Linie jeder Weiße – hat das Recht, seinen Besitz selbst zu
verteidigen, und zwar wie ein Sheriff mit der Waffe in der Hand.
Bürgerwehren sind ganz legal. Und da in ihnen auch Hasenfüße und
Rassisten zusammen kommen, ist es ganz »normal«, dass die Waffe auch
schnell eingesetzt wird. Zumindest die Hasenfüße sind zudem
gesetzlich geschützt: Sie müssen gar nicht bedroht sein, um in
Notwehr handeln zu dürfen. Sie müssen nur fühlen, sie seien in
Gefahr. Und wer will Gefühle schon bestreiten? Zimmerman, der
mutmaßliche Mörder, schlug eine Aufforderung der Polizei in den Wind.
Doch das spielte bei dem Urteil keine Rolle. Das Opfer flüchtete.
Dies durfte Zimmerman als Schuldeingeständnis verstehen. Er durfte
ihn verfolgen, ihn stellen – ohne dass ein Verbrechen vorlag. Ob
Trayvon Martin sich hinter einer Häuserwand versteckte, ob er
seinerseits den Verfolger gestellt und angegriffen hat, und ob er es
aus einem Gefühl der Notwehr heraus tat: Niemand weiß es. Es gibt
Gründe, einigen Zeugen Voreingenommenheit zu unterstellen. Andere
erschienen verängstigt. Voreingenommen waren in jedem Fall die
Behörden, die es nicht für notwendig hielten, überhaupt ein Verfahren
einzuleiten. So »normal« wurde Zimmermans Tat eingestuft. Wenn zwei
das Gleiche tun, wird das in Florida unterschiedlich bewertet. Das
ist Rassismus. Der Staatsanwalt wird vermutlich in Revision gehen.
Kann sein, dass das Urteil dann anders ausfällt. Wichtiger wäre es,
einige Gesetze in Revision zu geben, zum Beispiel das Waffengesetz.
Doch wie schwer das ist, hat Obama gerade wieder erfahren.

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