Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hausärztemangel

»Der beste Arzt ist jederzeit des Menschen eigne
Mäßigkeit.« Diese Worte des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim
(1719-1803) sollten nicht nur wir Menschen, sprich Patienten, im
Hinblick auf unseren Lebenswandel ernst nehmen. Er gilt in gleicher
Weise in Sachen Gesundheitswesen, zum Beispiel auch auch für Ärzte,
Apotheker, Krankenkassen und natürlich für Politiker. Spitzenmedizin,
die jeder will, kostet Geld, das aber knapp ist. Also müssen die
vorhandenen Mittel gerecht verteilt werden, denn auch für jede
Familie gilt: Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Deshalb
sollte nicht bei der Behandlung gespart werden, sondern bei der
Verwaltung, bei der Bürokratie. Die Zahl der Krankenkassen muss
ebenso drastisch reduziert werden wie die Zahl der Ärztekammern und
der Kassenärztlichen Vereinigungen. Nordrhein-Westfalen könnte hier
mit gutem Beispiel vorangehen. NRW ist das einzige Bundesland, in dem
es zwei Ärztekammern und zwei Kassenärztliche Vereinigungen gibt. Bei
den Krankenkassen zeichnen sich weitere Kooperationen und
Zusammenschlüsse ab. Die Finanzlage zwingt dazu. Der noch neue
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat gestern das
sogenannte Versorgungsstrukturgesetz vorgelegt, um dem Ärztemangel
auf dem Land zu begegnen. Ein durchaus notwendiges Gesetz, denn in
Ostwestfalen-Lippe werden bereits in 18 Städten und Gemeinden
Hausärzte gesucht. Es ist dringend notwendig, dass Ärzte, die sich in
ländlichen Gebieten niederlassen, Honorarzuschläge bekommen und
Praxen in überversorgten Ballungsräumen geschlossen werden können.
Außerdem will Bahr, dass die Länder mehr Einfluss auf die
Ärzteplanung bekommen. Hier könnte ein neues Übel beginnen. Wer nach
mehr Staat ruft, macht die Selbstverwaltung der Ärzte kaputt und
schränkt die Freiberuflichkeit ein. Praxen in den Innenstädten machen
dicht. Die Ärzte werden Angestellte. Sie siedeln sich in
Medizinischen Versorgungszentren an, die vor allem an Krankenhäusern
neu gebaut werden. Immer mehr Kliniken kaufen Praxissitze auf. Wer
diese Entwicklung will, muss es laut sagen. Und Ärzte, die eine
schleichende Rationalisierung bei der Patientenversorgung beklagen,
sollten den Versicherten reinen Wein einschenken und bittere Pillen
verschreiben – wie zum Beispiel eine einheitliche Grundversorgung für
alle. Patienten, die mehr wollen, müssen zuzahlen, wenn sie denn
können. Ehrlichkeit und Offenheit sind hier gefragt. Außerdem sei den
Berufskritikern von Krankenkassen und SPD, die natürlich auch am
neuen Versorgungsgesetz etwas zu mäkeln haben, eine plattdeutsche
Weisheit aus dem Münsterland ans Herz gelegt: »Eenmaol lachen helpt
biätter es dreimaol Medizin niemen« (Einmal lachen hilft besser als
dreimal Medizin nehmen). Heilung gibt es nur mit Herz und Verstand.
Gerade das zeichnet die Hausärzte aus.

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Andreas Kolesch
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