Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Iran

Aus dem Iran kommt selten Gutes: Journalisten
werden verhaftet, Oppositionelle verprügelt, Ehebrecher gesteinigt,
und die UNO registriert zahllose weitere Menschenrechtsverletzungen.
Obendrein verärgert Präsident Ahmadinedschad den Westen: Er bedroht
Israel, provoziert die USA und nennt die abendländischen Nationen
»alt gewordene Löwen mit verfilztem Fell und faulen Mähnen«. Sein
Atomwaffenprogramm hat eine gefährliche diplomatische Dauerkrise vom
Zaun gebrochen. Der iranische Präsident ist lästig. Doch nun steckt
Ahmadinedschad in der Klemme: Medienberichten zufolge will das
Parlament den Präsidenten absetzen. Wegen »fehlender Transparenz« und
»gravierender Rechtsbrüche« wollen die Abgeordneten ein
Amtsenthebungsverfahren einleiten. Stimmt ein Drittel der 290
Parlamentarier dem Antrag zu, könnte eine Zweidrittelmehrheit den
Präsidenten entmachten. Doch Ahmadinedschad hat Glück: Der oberste
Führer Ayatollah Chamenei verweigert seine Zustimmung, der Präsident
bleibt im Amt. Dennoch war der politische Angriff nicht umsonst: Er
enthüllt die große innenpolitische Krise des Iran. Das Land kommt
seit den Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 nicht zur Ruhe. Während
Oppositionsführer Moussawi die Regierung eine »diktatorische Sekte«
nennt, verdoppelt die Regierung die Miliz zur Aufstandsbekämpfung.
Obwohl viele Oppositionelle mundtot gemacht wurden, bleibt die Lage
gespannt. Inzwischen kommt Widerstand aus Ahmadinedschads eigenen
Reihen: Die »konservativen« Abgeordneten wollen ihn entmachten und
kämpfen gegen die regierungstreuen »Erzkonservativen«. So haben die
Konservativen zunächst acht Minister abgelehnt und dem Präsidenten
die Missachtung des Parlamentes vorgeworfen. Ahmadinedschad muss
jetzt die außerparlamentarische Opposition bekämpfen und zugleich die
Konservativen in Schach halten. Das schwächt seine Macht. Westliche
Beobachter meinen, die jüngsten Sanktionen hätten den
innenpolitischen Konflikt angeheizt. Ahmadinedschad hat die
Sanktionen zwar rhetorisch abgeschmettert, doch die Folgen sind
schmerzhaft: Die wirtschaftliche Abschnürung lässt ihn die
Subventionen für Nahrungsmittel und Benzin streichen. Das Parlament
befürchtet Inflation und ökonomische Einbußen und ist empört. Der
Stuhl des Präsidenten wackelt. Sanktionen sind diplomatisch
umstritten, weil sie oft das Volk und selten die Regierung treffen.
Im Iran könnte jedoch der Druck von außen die innenpolitische Lage
des Volkes verbessern. Erfreulich ist, dass auch China und Russland
den Sanktionen zustimmen, obwohl beide Länder starke
Wirtschaftsinteressen im Iran haben. Jetzt müssen die EU, die USA,
Russland und China die Sanktionen trotz schmerzlicher Einbußen
fortsetzen. Dieser Weg ist sinnvoller als das phantasielose
Säbelrasseln.

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Andreas Kolesch
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