Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Iran-Konflikt

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad
gilt im Westen als Verrückter, als Krawallmacher und Kriegstreiber.
Seine Tiraden vor der UNO-Vollversammlung gehören fast zum
Standardprogramm. Denn laut Ahmadinedschad sind die USA die Kraft
hinter allem Bösen, die Europäer die Marionetten der USA – und Israel
ein Implantat der USA im Nahen Osten. Verständlich, dass Amerikaner,
Deutsche und viele andere protestieren. Ahmadinedschad geht
tatsächlich zu weit: Wer Israel vernichten will, gilt zu Recht als
gefährlicher Kriegstreiber. Wer den Holocaust leugnet, mit einem
Erstschlag droht und der US-Regierung unterstellt, den 11. September
2001 selbst inszeniert zu haben, muss isoliert werden. Die
Feindschaft, die Ahmadinedschad entgegenschlägt, ist berechtigt.
Dennoch fragt man sich, wie man der iranischen Provokation begegnen
soll: Der fatale Konflikt muss doch irgendwie gelöst werden. Der
iranisch-israelische Atomstreit bleibt ein Minenfeld, das jederzeit
explodieren kann. Israel droht angeblich mit einem Präventivschlag,
ein iranischer General kontert mit möglichen militärischen
Gegenmaßnahmen, und die Kriegsgefahr wächst täglich. Die Welt schaut
beunruhigt zu – nicht erst seit gestern. Viele Hoffnungen ruhen auf
US-Präsident Obama. Im Wahlkampf 2008 hatte er versprochen, mit dem
Iran reden zu wollen. Er gelobte, die diplomatische Blockade
aufzuweichen. Doch im Wahlkampf 2012 ist davon keine Rede mehr:
Anstatt diplomatische Gespräche in New York zu führen, droht Obama
dem Iran: Die »USA werden tun, was sie tun müssen«, um Irans nukleare
Aufrüstung zu verhindern. Dialogbereite Diplomatie sieht anders aus.
Nun wäre es ungerecht, Obama die Schuld für das Iran-Dilemma
zuzuschieben. Der Konflikt ist älter als die Obama-Regierung.
Obendrein muss der US-Präsident im Wahlkampf 2012 Härte und
Entschlossenheit demonstrieren: Er darf Herausforderer Mitt Romney
keine Blöße zeigen. Dennoch könnte man vom Führer der größten
Militärmacht der Welt erwarten, zumindest ein kleines Zeichen der
Dialogbereitschaft zu setzen. Denn nur wenn Politiker miteinander
reden, lässt sich ein Krieg vermeiden. Das weiß auch der
Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus. Doch Obama setzt in der
Iran-Politik das riskante Spiel seines Vorgängers George W. Bush
fort: Geredet wird nicht, Drohungen sind erlaubt, und »alle Optionen
liegen auf dem Tisch«. Der Konflikt bleibt ungelöst, die Sicherheit
Israels wird nicht größer, und das diplomatische Patt zwischen
Washington und Teheran wird zementiert. So hängt der Frieden am
seidenen Faden. Es ist leicht, Ahmadinedschad zu verteufeln. Seine
Rhetorik ist abstoßend. Doch wenn derart viel auf dem Spiel steht,
sollte man zumindest versuchen, die riskante Sprachlosigkeit zu
überwinden. Und sei es in einem Hinterzimmer in Helsinki oder Genf!

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