Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kosovo

Plötzlich ist der Kosovo wieder in aller Munde.
Waren die Rufe nach einem schnellen Abzug der internationalen Truppen
jüngst immer lauter geworden, zeigt sich nun, dass die Lage auf dem
Balkan diffiziler ist als manch einer dachte. Das Ausbleiben von
Negativmeldungen in den vergangenen Jahren heißt eben nicht, dass die
Situation stabil ist. Sie ist es nur bedingt – auch dank der Präsenz
der Kosovo Force (Kfor) mit Deutschland als größtem Truppensteller.
Der Konflikt zwischen ethnischen Gruppen kann das Militär aber nur
eindämmen, niemals lösen. Das muss auf politischem Terrain passieren.

Wenn auf einmal wieder die Minderheit der Kosovo-Serben
Straßenblockaden errichtet, ein Grenzübergang niedergebrannt wird und
ein albanischer Polizist bei blutigen Auseinandersetzungen stirbt,
ist das nicht das Vorgehen von Einzelnen, sondern ein Zeichen des
herrschenden Hasses auf die kosovo-albanische Mehrheit. Worin diese
Aggression von Serben und Albanern münden kann, zeigte sich 2004, als
Klöster niedergebrannt und Menschen getötet wurden. Die
jahrzehntelange Abneigung ist nicht mit der Anwesenheit
internationaler Soldaten umkehrbar. Es ist die Aufgabe der Politiker
in Belgrad und Pristina, für eine dauerhafte Befriedung des Landes zu
sorgen. Da reicht es nicht, wenn man sich ignoriert und bei jeder
Gelegenheit betont, der jeweils andere etabliere im Norden des Kosovo
einen eingefrorenen Konflikt. Die Reaktion des kosovarischen
Außenministers auf die Frage, wie sein Land den Konflikt lösen wolle,
spricht Bände. »Wir wollen Belgrad nicht regieren, und Belgrad soll
uns nicht regieren.« Den Konflikt auszusitzen scheint wichtiger zu
sein, als ihn zu lösen.

Doch auch die serbische Regierung macht es sich leicht. Sie
bezahlt den im Norden des Kosovos lebenden Serben neben der
kosovarischen Rente auch noch eine serbische. Sie akzeptiert die
Zollstempel des Nachbarlandes nicht. Sie leugnet die Rechtmäßigkeit
der Grenze – alles Zeichen der Missachtung der Unabhängigkeit des
Kosovos. Dennoch pocht sie auf einen EU-Beitritt. Demonstrative
Festnahmen von Kriegsverbrechern sollen das Engagement
unterstreichen. Eine EU-Mitgliedschaft ist aber an die Lösung des
Grenzkonflikts gebunden. Deshalb ist die europäische Gemeinschaft in
der Pflicht. Es reicht nicht, die Konfliktparteien immer wieder
aufzufordern, sich an einen Tisch zu setzen. Die EU ist gezwungen,
den Druck auf beide Regierungen drastisch zu erhöhen. Die Botschaft
muss lauten: Wenn sich die Menschen im Norden weiter bekriegen,
brechen wir die Verhandlungen über den Status Serbiens als
Beitrittskandidat ab. Das ist der einzige Weg, sie zum Handeln zu
zwingen. Nur die Regierung kann den Bürgern den Gedanken der Toleranz
einpflanzen. So funktioniert der Balkan. Und nur so kann eine
Explosion des Pulverfasses Kosovo dauerhaft verhindert werden.

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