Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Label „Grüner Knopf“

Der Minister, der als Tiger gestartet ist,
scheint nun als Bettvorleger zu landen. Die Forderung ist noch im
Ohr, die Gerd Müller (CSU) nach dem Einsturz des Rana Plaza in
Bangladesch erhoben hatte. Dort hatten auch deutsche Importeure
eingekauft. Müller verlangte, dass Textilien, die hier verkauft
werden, in sicheren Gebäuden, zu fairen Löhnen und sauberen
Umweltbedingungen produziert werden. Eine freiwillige Vereinbarung in
einem Textilbündnis sollte dies gewährleisten. Sonst, so drohte
Müller anfangs laut und später immer leiser werdend, werde er die
Verpflichtungen in ein Gesetz fassen und vom Bundestag beschließen
lassen. Inzwischen gingen mehr als fünf Jahre ins Land – sechs
Jahre, in denen Experten des Ministeriums, der Industrie, des
Handels, der Gewerkschaften und einiger Nichtregierungsorganisationen
über unzähligen Papieren kreisten. Herausgekommen ist der »grüne
Knopf« – kein Tiger, kein Elefant, nicht einmal eine Katze,
höchstens eine kleine Maus. Künftig wird es weiterhin und nun sogar
mit staatlichem Siegel möglich sein, den Textilarbeiterinnen in den
asiatischen und zunehmend auch afrikanischen Ländern Löhne zu
bezahlen, die selbst unter den Bedingungen an Ort und Stelle nicht
für ein menschenwürdiges Leben ausreichen. Auch in Fragen des
Umweltschutzes lässt der »grüne Knopf« viele Forderungen unerfüllt.
Das gilt vor allem für den Baumwollanbau und Einsatz von Pestiziden,
Gentechnik und Wasserverbrauch. Nun ist auch ein Tippelschritt
ein Schritt, und man könnte mit Gerd Müller sagen: Hauptsache, die
Richtung stimmt. Allerdings gilt das Argument nicht für die
Modefirmen, die sich selbst längst weitergehende Verpflichtungen
gegeben haben, sich dafür eingehenden Kontrollen unterwerfen und
dies auch durch Siegel wie zum Beispiel »Gots« bestätigen lassen.
Ihr Problem: Verbraucher sind teilweise nur begrenzt aufnahmefähig
und können durch eine zu große Vielfalt an Siegeln überfordert
werden. So müssen diese Modefirmen befürchten, dass ihre
Mehrleistungen nicht mehr richtig gewürdigt und bezahlt werden. Ein
ähnliches Argument führen Landwirte gerade gegen das geplante
staatliche Tierschutzlabel ins Feld. Daran, dass der Tiger Gerd
Müller in den vergangenen Jahren zum Bettvorleger mutiert ist, sind
die Verbraucher allerdings nicht unschuldig. Ihr Gedächtnis ist
vielfach so kurz wie der Erfolg von Primark, Kik und anderen
Billiganbietern groß ist. Hinzu kommt der Siegeszug der Onlinehändler
in der Modebranche. Amazon, Zalando & Co. denken offenbar gar nicht
daran, irgendwelche freiwilligen Verpflichtungen zu unterschreiben.
Das wird, so ist zu befürchten, mindestens so lange der Fall sein, so
lange es nicht irgendwo in einer Bekleidungsfabrik zu einer neuen
Katastrophe kommt.

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Andreas Kolesch
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