Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Länderfinanzausgleich

Drei Länder zahlen, 13 andere kassieren: Man
muss kein Kenner des komplizierten Finanzausgleichs sein, um zu
ahnen, dass ein solches Missverhältnis zwischen Gebern und Nehmern
für Ärger sorgt. Der Streit um den Länderfinanzausgleich ist fast so
alt wie das System selbst – nur die Rollenverteilung wechselt. Lange
Jahre hat Bayern als Nehmerland von den Transferzahlungen profitiert.
Das aber hält den Freistaat nun nicht davon ab, mit den Hessen eine
Verfassungsklage anzustrengen. Ihre Argumentation ist einfach: Das
System setze die falschen Akzente, weil es sich nicht lohne, vom
Nehmer- zum Geberland zu werden. Einfach ist auch die Prognose:
Schnell ändern wird sich daran nichts – allein schon deshalb, weil
die Karlsruher Richter nicht vor 2014 entscheiden werden. Und weiter:
Der Vorstoß ist richtig, kommt aber zur falschen Zeit. An der
Reformbedürftigkeit des Länderfinanzausgleichs kann es keinen Zweifel
geben. Schon 1999 hat das Verfassungsgericht geurteilt, dass es
stärkerer Leistungsanreize bedarf. Die 2005 in Kraft gesetzten
Veränderungen haben jedoch kaum die gewünschte Wirkung erzielt.
Gleichwohl stehen Bayern und Hessen im Verdacht, wahltaktische
Winkelzüge zu betreiben. Richtig ist, dass beide schwarz-gelben
Koalitionen im Herbst wiedergewählt werden wollen. Da macht sich der
Kampf für die Interessen des eigenen Wahlvolkes natürlich gut. Das
wiederum erklärt, warum Baden-Württemberg als drittes Geberland nicht
mitklagt. Hier regiert Grün-Rot, und eine lagerübergreifende
Verfassungsklage wollten die Parteien den Bürgern im Superwahljahr
wohl besser nicht zumuten. Trotzdem greift es zu kurz, nur
parteipolitische Scharmützel zu vermuten. Zwar wird, wer den
Föderalismus ernsthaft will, auch künftig um Ausgleichszahlungen
nicht herumkommen. Zugleich wird kein Mechanismus alle Härte
ausschließen können. Doch kann das die Frage nach einer gerechten
Verteilung der Lasten nicht hinreichend beantworten. So bleibt zum
Beispiel die Frage, warum Berlin als das Hauptnehmerland kostenlose
Kitaplätze bietet, wohingegen viele hessische Eltern für die
Kinderbetreuung zahlen müssen. Solidarität wird es langfristig ohne
Solidität und Eigenverantwortung kaum geben können. Was für die
Euro-Zone gilt, gilt für die deutschen Bundesländer nicht minder.
Eine Lösung muss also her. Helfen könnte dabei trotz mancher
verbaler Kraftmeierei der Ministerpräsidentin der Hinweis aus NRW,
doch bitte gefälligst alle Transfersysteme in Augenschein zu nehmen.
Mit Blick auf das Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 müssen
die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen ohnehin neu
geregelt werden. Das ist der richtige Zeitpunkt für einen neuen
Länderfinanzausgleich. Tragfähig dürfte der jedoch nur werden, wenn
er von einer ganz großen Koalition erarbeitet wird. Die Weichen dafür
müssen nach der Bundestagswahl gestellt werden.

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Andreas Kolesch
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