Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Piratenprozess

Im Hamburger Piratenprozess treffen Welten
aufeinander. Noch ist nicht absehbar, auf welcher Seite der
Gerichtsschranken der Kulturschock heftiger ausfällt. Da stehen
chronisch unterernährte Kindsgestalten, die mit schweren Waffen in
internationalen Gewässern auf Beutezug gehen. Ihnen gegenüber sitzt
ein hoch zivilisierter Justizapparat. Dessen professionelle
Effektivität dürfte den Angeklagten ähnlich viel Furcht einjagen wie
das gnadenlose Recht des Stärkeren in ihrer bürgerkriegszerrissenen
Heimat. So viel ist klar: Die Seeräuber haben Schwierigkeiten,
überhaupt zu verstehen, was mit ihnen geschieht. Die Verteidigung
soll und darf alle Finten des Prozessrechts nutzen, droht aber
Absurditäten auf die Spitze zu treiben. Selbst die Staatsanwälte
dürften leise Zweifel an der vollen Strafmündig- und Straffähigkeit
der zehn Kaperfahrer in Gummilatschen hegen. Das Gericht schließlich
muss ein Urteil fällen, das weltweit abschreckt, die Umstände
berücksichtigt und zugleich dem Rechtsempfinden nach internationalen,
deutschen und somalischen Verständnis Rechnung trägt. Kurzum:
unmöglich.

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