Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Deutsche Bank:

Josef Ackermann hat es geschafft. Der Chef der
Deutschen Bank gewinnt den Machtkampf gegen den
Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig und wird nun aller
Voraussicht nach dessen Nachfolger. Das letzte Wort haben die
Aktionäre, die im Mai 2012 darüber abstimmen. Im Grunde könnte mit
dieser Entscheidung endlich wieder Ruhe im größten deutschen Bankhaus
einkehren. Denn seit der Absage des ehemaligen Bundesbank-Präsidenten
Axel Weber, den Ackermann als seinen Nachfolger auserkoren hatte,
liegen Ackermann und Börsig im Dauerclinch. Weber hatte es
überraschenderweise vorgezogen, zur Schweizer Großbank UBS statt zur
Deutschen Bank zu wechseln. Genau das wurde dem obersten Aufseher der
Deutschen Bank angelastet. Zu lange habe er mit einer Entscheidung
gewartet. Und als sich Börsig obendrein noch selbst als künftigen
Chef der Deutschen Bank ins Spiel brachte und Ackermann seinen
Vertrag daraufhin verlängern ließ, war der Konflikt offen
ausgebrochen. Soetwas kommt gerade bei Investoren nie gut an. Sie
fürchten um eine solide Kursentwicklung der Aktie. Ackermann ist ein
gewiefter Taktiker. Das hat der Schweizer jetzt aufs Neue bewiesen.
Der 63-Jährige ist in der Finanzwelt ebenso gut vernetzt wie in der
Politik. Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel, als es um die Rettung
Griechenlands und des Euro ging, hat er den entscheidenden Vorschlag
in Richtung einer Umschuldung gemacht und damit auch seine Zunft in
die Verantwortung genommen. Damit sicherte sich »Mr. Deutsche Bank«
die Wertschätzung vieler Politiker, darunter die der Kanzlerin Angela
Merkel. Ackermann ist ein Top-Banker und als solcher in einer
machtvollen Position. Die New York Times bezeichnete ihn denn auch
als den »mächtigsten Banker Europas«. Weltweit schätzen
Spitzenpolitiker seine Meinung. Und doch hat sein geplanter Wechsel
an die Spitze des Aufsichtsrates einen faden Beigeschmack. Er
verstößt gegen den Grundsatz guter Unternehmensführung, den sich die
Dax-Konzerne selbst auferlegt haben. Danach sollte ein
Vorstandsmitglied mindestens zwei Jahre warten, bis es in den
Aufsichtsrat wechseln darf. Grund: Es soll erreicht werden, dass der
Aufsichtsrat die Arbeit des Vorstands kritisch begleiten kann. Dazu
gehört ein gewisser zeitlicher Abstand. Die Ironie der Geschichte
ist, dass Ackermann selbst vor Jahren einen derartigen Schachzug
ausgeschlossen hatte und auch Doppelspitzen unpassend fand. Seine
Einstellung hat sich offenbar geändert. Ackermann klebt am
Chefsessel. Und die Deutsche Bank bekommt mit Anshu Jain und Jürgen
Fitschen eine Doppelspitze. Die Gefahr ist groß, dass der Machtkampf
nun zwischen diesen drei Personen ausgetragen wird. Kann sich ein
Josef Ackermann tatsächlich in die zweite Reihe zurückziehen? Zweifel
sind angebracht. Die Deutsche Bank hat eine Machtfrage geklärt, aber
eine neue geschaffen.

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