Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema „Die CSU und der Euro“

Horst Seehofer kann Guido Westerwelle dankbar
sein. Neben dem Trauerspiel um das politische Schicksal des
Außenministers geht der Zickzackkurs des CSU-Chefs in Sachen Europa
beinahe unter. Überhaupt ist es ein Faszinosum: Seehofer und seine
Christsozialen, die zum schlechten Erscheinungsbild der
schwarz-gelben Bundesregierung mindestens genauso viel beigetragen
haben wie die Liberalen, sind in der öffentlichen Wahrnehmung bislang
weitgehend unbeschadet davongekommen. Währenddessen scheint das
Einprügeln auf die FDP fast zu einer Art Volkssport geworden zu sein
scheint. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Seehofers jüngste Aussagen enorme Sprengkraft besitzen. Sein »Ja,
aber« hat durchaus das Potential, die Unionsparteien zu entzweien und
die uneingeschränkte Loyalität gegenüber der europäischen Idee, derer
man sich in CDU und CSU so gern und oft rühmt, in Frage zu stellen.
Zwar stimmt Seehofer dem Euro-Rettungsschirm im Grundsatz zu, eine
europäische Wirtschaftsregierung oder einen europäischen
Finanzminister aber lehnt er kategorisch ab. Bleibt es dabei, ist
Kanzlerin Angela Merkel zwar mit Blick auf die Abstimmung im
Bundestag Ende September geholfen. Das aber nützt wenig, wenn sie
anschließend wegen des CSU-Vetos ihr Gesicht auf der internationalen
Bühne verliert. Schließlich weiß jedermann, dass die Idee der
Wirtschaftsregierung ein Zugeständnis Merkels an Frankreichs
Präsident Nicolas Sarkozy war, um die deutsche Idee der
Schuldenbremse für die 17 Länder der Euro-Zone durchzusetzen. Dass
sich dieser Kompromiss noch als sehr lohnend herausstellen könnte,
zeigt das erfreuliche Beispiel der Spanier, die eine Schuldenbremse
just beschlossen haben. Seehofer droht Merkels Konzept aus
Soforthilfe und Strukturveränderungen ins Wanken zu bringen, noch
bevor es in trockenen Tüchern ist. Doch muss es ja gerade darum
gehen, das Hauptproblem – die drastische Verschuldung der Staaten –
in den Griff zu bekommen. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel zu
erreichen, sind kläglich gescheitert Wer also wie Seehofer eine
solide Haushaltsführung allüberall erwartet, neue Instrumente der
Reglementierung jedoch ablehnt, muss auch sagen, wie er sonst
vorzugehen gedenkt. Das weiß der CSU-Chef natürlich, aber trotzdem
bleibt er im Ungefähren. So klingt sein Ruf nach Strafen vom
Zahlungsstopp bis hin zum Ausschluss einzelner Staaten gut, löst aber
kein einziges der aktuellen Probleme. Doch das will Seehofer auch gar
nicht. Er lässt lieber die Kanzlerin machen, um selbst aus der weit
verbreiteten Europa-Skepsis politisches Kapital zu schlagen. Der
CSU-Chef redet Europa das Wort und hält sich doch ein Hintertürchen
offen. Der Ministerpräsident gibt mal wieder den Populisten, indem er
die bayerische Seele streichelt. Bleibt Seehofer bei diesem Kurs, ist
er nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für Europas
Zukunft gefährlicher, als es Guido Westerwelle jemals war.

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