Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema „E10 vorläufig gestoppt“:

Jetzt ist das Chaos komplett. Mit dem
vorläufigen Stopp der Umstellung des Superkraftstoffs E5 auf E10
lässt die Mineralölwirtschaft die Verbraucher noch unsicherer zurück,
als sie ohnehin schon waren. Wie anders ist es sonst zu deuten, dass
an den etwa 15 000 bereits umgerüsteten Tankstellen in Deutschland
der so genannte Bio-Kraftstoff in den Tanks vor sich hindümpelt,
während das deutlich teurere Super Plus in rauhen Mengen durch die
Zapfsäulen fließt. Die Nachfrage ist inzwischen so groß, dass die
Raffinerien nicht mehr nachkommen mit der Produktion der bisherigen
Sorten. Der Grund für das nun eingetretende Durcheinander liegt
einzig und allein an der unfassbar schlechten Informationspolitik.
Die ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung
den Mineralölunternehmen wie in einer Planwirt eine bestimmte
E10-Quote vorgeschrieben hat. Selbst die Androhung von Geldbußen bei
fehlenden Absätzen hat nicht zu einer besseren Informationskampagne
geführt. Die Verunsicherung der Autofahrer ist mittlerweile derart
groß, dass die meisten bereit sind, bis zu zehn Cent mehr pro Liter
zu zahlen, als sie müssten – selbst dort, wo noch das bekannte E5 als
herkömmliches Super angeboten wird. Wenn die Mineralölwirtschaft in
diesem Zusammenhang von einem Streik der Autofahrer gegen den
Bio-Sprit spricht, ist das ein Schlag ins Gesicht der Verbraucher.
Das eigene Versagen bei der Aufklärung in den vergangenen Monaten
lässt sich nicht den Kunden in die Schuhe schieben. Neuesten Angaben
der Autohersteller zufolge vertragen nämlich 93 Prozent der
Fahrzeuge, die derzeit auf den Straßen rollen, den mit zehn Prozent
Ethanol angereicherten Sprit. Von den deutschen Wagen sollen es gar
99 Prozent sein. Fakt ist aber, dass der höhere Alkohlanteil des
Sprits, bisher waren es fünf Prozent (E5), zu höheren Verbräuchen
führt. Zwei bis fünf Prozent haben Tests unterschiedlicher
Fachmagazine ergeben. Das wiederum dürfte den Staat freuen, der bei
der Mineralölsteuer kräftigt abkassiert. Mehreinnahmen von bis zu 1,7
Millionen Euro täglich haben Experten beim Einsatz von E10 berechnet.
Das kann sich wahrlich sehen lassen. Der Mehrverbrauch indessen
relativiert auch die angebliche Einsparung von CO2. Zudem sehen
Umweltverbände eine Konkurrenz von Teller und Tank. Für die
Ethanolproduktion werden zusätzliche Ackerflächen benötigt, da der
Alkoholzusatz unter anderem aus Weizen, Rüben oder Mais gewonnen
wird. Die Zukunftsaussichten sind einfach: Entweder verbrauchen die
Fahrzeuge in Zukunft dank des E10 mehr. Wird die Sorte vorerst nicht
eingeführt, hat die Benzinbranche bereits angekündigt, die
angedrohten Strafzahlungen direkt auf die Spritpreise aufzuschlagen.
Der Kunde zieht auf alle Fälle den Kürzeren und wird stärker zur
Kasse gebeten. Mehrkosten, die so manchem Pendler richtig weh tun
werden.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261