Die Euro-Krise steuert auf einen neuen Höhepunkt
zu. Die Geduld mit Griechenland ist bis an die Grenzen strapaziert,
und in Spanien verschlechtert sich die Situation zusehends. Im Haus
Europa ist nichts in der Ordnung, in der es nach mehr als
zweijähriger Rettungsarbeit sein sollte. Schrillstes Alarmsignal sind
die jüngsten Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi sowie die prompten
Ergänzungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs
Staatspräsident François Hollande. Wenn alle unisono alles tun
wollen, um den Euro zu retten, kann das nur eines heißen: Es steht
nicht gerade gut um die Gemeinschaftswährung. Die zur Schau gestellte
Einmütigkeit soll die bekannte Vielstimmigkeit übertönen. Da
bezichtigen die Gläubiger gern die Schuldner, ihnen fehle es an
Reformwillen. Da kritisieren die Schuldner die Gläubiger, ihnen fehle
es an Solidarität. Nationalstaatlicher Egoismus, wie ihn
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) in bemerkenswerter
Offenheit zum Besten gibt, tut ein Übriges. Auch in Deutschland
bricht sich der Streit immer offener Bahn. Es mehren sich die Stimmen
derer, die den Preis für die Euro-Rettung keinesfalls weiter steigen
lassen wollen. So sendet die Politik grundverschiedene Signale und
nährt die Gerüchte an den Finanzplätzen. Es wird weiter gegen den
Euro und gegen einzelne Länder der Euro-Zone spekuliert. Das will
Mario Draghi unterbinden: Folgen seinen kraftvollen Worten die zu
erwartenden Taten, so wird die EZB demnächst wieder – und zwar mit
Duldung der Bundesregierung – in großem Maße Staatsanleihen kaufen,
um für die Schuldenstaaten die Zinslast zu senken. Das geschähe
sicher unter deren Jubel. Auch die Märkte haben bereits positiv auf
Draghis Ankündigung reagiert. Einzig noch die Bundesbank steht einem
solchen Vorgehen kritisch gegenüber. Und dafür hat sie gute Gründe:
Erstens bringt der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB
bestenfalls Zeit. Der Lösung der strukturellen Probleme kommt man so
nicht näher. Im Gegenteil könnten die Schuldenstaaten meinen, es mit
den Reformen doch nicht ganz so genau nehmen zu müssen. Zudem begibt
sich die EZB mit dem Anleihekauf auf ein Feld, das einfach nicht das
ihre ist. Die Währungshüter sind für die Geldwertstabilität
zuständig, nicht für die Finanzierung klammer Euro-Länder. Am
schlimmsten aber: Die Europäische Zentralbank hat bereits für mehr
als 200 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft, Deutschland haftet
hier entsprechend seiner Anteile mit circa 40 Milliarden Euro. Dafür
jedoch hat kein Bundestagsabgeordneter je seine Hand gehoben, da das
Parlament gar nicht gefragt wurde. Das Demokratiedefizit ist so
offensichtlich, wie es beachtlich ist. Den Euro und die Euro-Zone zu
verteidigen, ist aller Ehren wert. Doch die Rettung kann und darf
nicht die EZB bringen, sondern sie muss durch die Politik kommen.
Wenn dafür der Wille fehlt, sollte man das offen eingestehen.
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