Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Flüchtlinge

Die Betroffenheit hat Hochkonjunktur. 500, 700,
gar 900 Tote – als ob die Menge der Einzelschicksale die Grausamkeit
dessen, was da im Mittelmeer passiert, größer machen würde. Die Suche
nach dem Schuldigen ist zutiefst unehrlich. Weil es in der
Flüchtlingspolitik keine Kompromisse gibt, die am Ende nicht doch
irgendwie wieder kompromittierend für die westliche Welt sind.

Den Ruf nach Rettung all derer, die den Schlepperbanden ins Netz
gehen, wird niemand ernsthaft ablehnen dürfen. Aber schon der Appell,
die Geretteten auch ins Land zu lassen, entlarvt unsere Doppelmoral,
weil die Staaten die Flüchtlinge nicht aufnehmen können oder wollen.
Demonstrationen, Drohungen, Anschläge beweisen das. Die europäische
Flüchtlingspolitik wird zerrissen zwischen humanitärem Anspruch,
eigenen Werten und den politischen Realitäten.

Europa ist nicht bereit, die Solidarität aufzubringen, die
notwendig wäre, wenn man die jetzige Betroffenheit in die von vielen
geforderten Beschlüsse umsetzen würde.

Haben die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag den Mut, einen
neuen Weg zu gehen?

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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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