Das Militär hatte die Strecke in der Nähe der
Hauptstadt des Königreichs Bahrain weiträumig abgesperrt, die Autos,
die sich dem Areal bei Manama näherten, wurden von Sprengstoffhunden
untersucht. Eine bizarre Situation. Aber die Formel 1 verfährt eben
nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, fährt es sich ganz
ungeniert. Denn die PS-Funktionäre folgen schon länger der Maxime:
Wer zahlt, schafft an. Sportliche Großereignisse, nicht nur in der
Formel 1, werden fraglos nicht erst seit gestern genutzt, um ein
Land, ein Regime in ein schönes, ein schillerndes Licht zu setzen.
Trauriger Höhepunkt sind bis heute die Olympischen Spiele 1936 in
Berlin. Doch gelernt hat der Sport in den vergangenen 76 Jahren
nichts. Während sich Sebastian Vettel, Michael Schumacher und die
anderen Piloten um WM-Punkte auf der Strecke stritten, kämpften die
Jugendlichen auf den Straßen Manamas für ihre Rechte, für mehr
Demokratie, für ein besseres, ein selbstbestimmtes Leben. Wie bizarr:
Ein Großteil der westlichen Welt hatte 1980 die Spiele in Moskau
boykottiert, weil die kommunistische UdSSR Afghanistan überfallen
hatte. Im pseudodemokratischen Königreich Bahrain, in dem die Scharia
eine der Hauptquellen der Gesetzgebung ist, werden Menschen in den
Gefängnissen gefoltert. Auch die Sportfunktionäre des Internationalen
Olympischen Komitees haben in diesem Jahrhundert wieder keine
Probleme, ihre Hochglanzshow der Körperertüchtigung in zutiefst
undemokratischen Staaten wie China und Russland austragen zu lassen.
Wenn der Rubel rollt und das volkreichste Land der Erde mit seinen
Marktchancen winkt, wen interessieren dann die hehren Werte des
Sports? Die Formel 1 hat an die Risiken erinnert, die man eingeht,
wenn man sich an den Höchstbietenden verkauft. Zudem galt die
PS-Königsklasse auch noch nie als Hort demokratischer Gesinnung. Das
2009 von der »Times« geführte Interview mit dem mächtigsten Mann der
rasenden Gelddruckmaschine (Bernie Ecclestone würdigte darin die
Macht Adolf Hitlers, »Dinge erledigen zu können«, und mit Blick auf
den Irak sagte er, Saddam Hussein »war der Einzige, der dieses Land
kontrollieren konnte«) sorgte für Entsetzen, ist aber ein
potenzieller Erklärungsansatz für die Entscheidungen, sich nicht nur
dem Diktat des Geldes zu unterwerfen. Allerdings sind sich auch die
Oppositionellen in Bahrain nicht einig, ob es nicht doch gut war, das
Rennen durchzuführen. Denn so konnten sie die Chance der großen
medialen Verbreitung nutzen, um auf ihre Situation aufmerksam zu
machen. Allerdings: Wenn ab heute vor Gerichten in Bahrain Unrecht
gesprochen wird, schaut kaum einer hin. Man sollte den
Formel-1-Weltmeister und Bahrain-Sieger einmal fragen, ob er weiß,
wer Salah Abbas Habib ist. Das ist der 36-Jährige, der an diesem
Wochenende entweder auf den Straßen Manamas oder im Gefängnis
erschossen worden ist.
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