Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Liberalismus

Liberalismus verpflichtet. Er steht für eine
demokratische Revolution, die Menschenwürde und Freiheit des Bürgers
abseits staatlicher Reglementierung einfordert. Ob aktuell, wie beim
turbulenten Bezirksparteitag der FDP-Ostwestfalen-Lippe oder auf der
historischen langen Linie: Was Ende des 18. Jahrhunderts als
Gegenbewegung zu Absolutismus und Feudalherrschaft entflammte, birgt
bis heute Sprengkraft. Die Finanzkrise hat gezeigt, wie schnell der
Einfluss des Staates ausgeweitet werden kann. Frauenquote,
Rekordsteuern und E10 sind Beispiele, die den Hang zu staatlichem
Eingreifen symbolisieren. Beim Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock
wird die Unruhe darüber kaum zu unterbinden sein. Der Rückzug von
Gudrun Kopp dürfte nur ein Vorgeschmack sein. Wo steht die Partei,
die sich dem liberalen Grundgedanken verschrieben hat im großen
Koordinatensystem? Im Nirgendwo. In zentralen Fragen hat die FDP
zuletzt durch Abwesenheit geglänzt. Den Streit um Stuttgart 21 hätte
sie nutzen müssen, um sich als Bürgerrechtspartei einzubringen. Auch
beim Hartz-IV-Bildungspaket und in der Wirtschaftskrise versteckte
sie sich häufig hinter der Union. Der Kampf für die Freiheit des
Einzelnen ist vor allem eines: unbequem, vielleicht sogar unpopulär.
Dabei braucht es in einer sozialen Marktwirtschaft eine konsequente
liberale Kraft, die auf marktwirtschaftliche Prinzipien pocht. Vor
allem in einer Parteienlandschaft, in der die Nachteile einer
staatlichen Rundumversorgung wenig interessieren und alle Lager mit
sozialdemokratischen Thesen liebäugeln. Selbst die CDU zieht nach
links. Diesem Trend darf die FDP nicht hinterherlaufen. Damit würde
sie sich tatsächlich überflüssig machen. Der FDP mangelt es an
programmatischer Präsenz und Verkaufstalent. Beispiel Bundeswehr:
Seit Jahren setzen sich die Liberalen für die Abschaffung der
Wehrpflicht ein, aber gefeiert wurde CSU-Mann Karl-Theodor zu
Guttenberg. Auch die Hotelsteuer war nicht nur ein Kind der FDP. Doch
sie wird dafür gerügt . Die FDP braucht eine Wende – hin zu
Glaubwürdigkeit und echten liberalen Werten. Es reicht nicht, als
Steuersenkungspartei anzutreten und dann eine Erhöhung des
»Arbeitnehmer-Pauschbetrags« von 920 auf 1000 Euro durchzusetzen. Die
Bürger verurteilen nicht die Idee der Steuersenkung, sondern deren
mangelnde Umsetzung. Die FDP hat nur eine Chance: Sie muss den Graben
zwischen dem, was sie sein will und dem, was sie derzeit ist,
schließen. Stünde sie kompromisslos für die Beschränkung staatlichen
Einflusses, die Selbstregulierung der Wirtschaft, Bürokratieabbau,
weniger Steuerausnahmen und Schutz vor Datensammelwut, verkörperte
sie die liberale Kraft, die das Land braucht. Die Tendenz zum
Vollkasko-Staat rufen geradezu nach einer Partei, die sich der
Freiheit und Selbstbestimmung verschrieben hat.

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