So ein Desaster wie bei der Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen möchte Angela Merkel nie wieder erleben. Sie hat
gelernt aus der Pleite im Mai dieses Jahres, als Jürgen Rüttgers
nicht zuletzt aufgrund des schwachen Regierungsstarts in Berlin die
wohl bitterste Niederlage seiner Karriere einstecken musste. Damit
bei der so wichtigen Landtagswahl am 27. März in Baden-Württemberg
nicht ein zweites Debakel folgt, hat Angela Merkel in dieser Woche
überraschend früh und rhetorisch klug den Wahlkampf eingeläutet.
Obwohl es bei der Generaldebatte in erster Linie um den Haushalt
ging, nutzte die Kanzlerin die Gelegenheit, sich zwölf Wochen vor der
Wahl die Grünen vorzuknöpfen. Seit Wochen muss Merkel gewurmt haben,
wie simpel es die Partei in den Umfrage-Höhenrausch geschafft hat.
Gegen die Atomkraft, gegen Stuttgart 21, gegen das Sparpaket – so
lautet die einfache Formel, um beim Volk zu punkten. Wer will sich
schon mit komplizierten Sachverhalten auseinandersetzen, wenn es
dafür doch einfache Lösungen zu geben scheint? Dieses gefährliche
Denken ist Angela Merkel ein Dorn im Auge. In der Generaldebatte
benötigte sie nur einen einzigen Satz, um die Finger in die Wunden
der Grünen zu legen. In Bezug auf Stuttgart 21 lautete dieser: »Wenn
das so weitergeht, werden die Grünen für Weihnachten sein, aber gegen
die davor geschaltete Adventszeit.« Zwei Gründe sind es, warum Angela
Merkel die Grünen (zumindest vorläufig) zu ihren Gegnern erklärt hat.
Erstens: Die Bundeskanzlerin ist nach wie vor trotz aller
Planungsfehler vom unterirdischen Bahnhofsprojekt in der
Schwaben-Metropole überzeugt. Zweitens: Sich mit den Grünen
anzulegen, heißt automatisch, das eigene konservative Profil weiter
zu schärfen und klare Kante zu zeigen, wie ihr es bereits beim
Parteitag gelungen ist. Aber sie hat noch einen taktischen
Hintergedanken: Sollte die Union im März verlieren, will sie nicht,
dass die dortige CDU ihr mangelnde Unterstützung bei einem solchen
offensichtlich unpopulärem Projekt vorwerfen kann. So bleibt Merkel
nichts anderes übrig, als zumindest bis zum Frühjahr gegen die
Dagegen-Partei zu sein. Und das, obwohl sie grundsätzlich nichts
gegen die Grünen hat, ihnen aber mangelnde Verantwortung und
fehlenden Realitätssinn vorwirft. Denn Merkel weiß, dass sie die Tür
nicht vollkommen zustoßen kann. Vielleicht braucht sie die Grünen
noch – spätestens bei der Bundestagswahl 2013, aber auch, sollte es
zu Neuwahlen in NRW kommen. Hier hat der neue CDU-Chef Norbert
Röttgen mit seinem grünen Schmusekurs sogar schon etwas vorgesorgt.
Und die SPD? Die findet derzeit gar nicht statt in all den Debatten –
wie auch, wenn die Kanzlerin mit Künast & Co. streitet und die SPD
einfach links liegen lässt?
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