Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Organspende

Wir treffen täglich Entscheidungen. Überlegen,
ob wir in die Kantine gehen oder unsere mitgebrachten Brote essen, ob
wir im Urlaub nach Mallorca oder nach Schweden fahren wollen. Eine
Entscheidung über Leben und Tod müssen wir – zum Glück – nicht so oft
fällen. Gerade deshalb sollten wir uns ihr um so mehr widmen. Deshalb
ist der Vorstoß des Bundesgesundheitsministeriums, alle gesetzlich
Versicherten über die Krankenkassen zu ihrer Bereitschaft zur
Organspende zu befragen, grundsätzlich ein guter Ansatz, mehr
Menschen für ein heikles Thema zu sensibilisieren. Künftig würde bei
den Krankenkassen vermerkt, ob jemand nach seinem Tod Organe spenden
möchte oder nicht, oder ob er sich noch nicht entscheiden will. Ein
durchaus pragmatischer Weg, mehr Menschen zu einer Entscheidung zu
bewegen. Durch die Pflicht zur Äußerung würde sich der ein oder
andere für eine Spende aussprechen und damit Leben retten. Die
Information, standardisiert abgefragt von den Krankenkassen, wird die
Hemmschwelle vieler Menschen abbauen. Es wäre selbstverständlich,
sich zu positionieren. Auch würde die Entscheidungslösung Angehörige
entlasten, die derzeit, wenn sich der Patient zu Lebzeiten nicht für
oder gegen eine Spende entschieden hat, eine derart schwierige
Entscheidung in einer Zeit treffen müssen, die allein der Trauer
vorbehalten sein sollte. Doch es genügt nicht nur, den Millionen
Versicherten ein Kreuzchen abzuringen. Die Menschen müssen informiert
werden. Außerdem sollte es die Möglichkeit geben, die Entscheidung zu
ändern. Das muss das Recht jeden Einzelnen bleiben. Doch was ist mit
denjenigen, die Zeit ihres Lebens weder »Ja« noch »Nein« zur
Organspende sagen? Denjenigen, die sich nicht entscheiden können oder
wollen? An dieser Stelle birgt die Entscheidungslösung Probleme.
Müssen dann wieder die Angehörigen entscheiden? Oder gibt es eine
Frist, nach Ablauf derer sich jeder entschieden haben muss? Hier wäre
die Widerspruchslösung einfacher, wie sie auch in Spanien, Frankreich
und Belgien praktiziert wird. Wenn ein Patient zu Lebzeiten nicht
widerspricht, dürfen ihm nach seinem Tod Organe entnommen werden.
Diese Lösung, die auch die Europäische Union von Deutschland
gefordert hatte, konnte sich nicht durchsetzen. Einfacher, weil
konsequenter, wäre sie allemal. Der jetzige Vorstoß ist schon mal ein
wichtiger Schritt – auch wenn er manchem zu abgeklärt erscheinen mag,
zu pragmatisch. Eine Antwort auf eine solch weitreichende Frage –
gespeichert auf einer Chipkarte? In Umfragen sind mehr als 70 Prozent
der Deutschen für Organspende, aber nur 17 Prozent haben einen
Organspendeausweis. Diesem Ungleichgewicht kann man nur mit
Pragmatismus und Aufklärung begegnen. Auf jeden Fall sollte eine
Entscheidung für oder gegen Organspende zum Leben gehören.

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Andreas Kolesch
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