Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Organspende

Wenn ich gefragt werde, ob ich nach meinem Tod
Organe spenden will, sage ich unumwunden »Ja«. Einen
Organspendeausweis habe ich aber bislang nicht. Damit geht es mir
vermutlich wie 74 Prozent der Deutschen, die grundsätzlich für
Organspende sind. Doch nur 25 Prozent besitzen einen Spendeausweis.
Ein unnötiges Missverhältnis – entstanden aus Bequemlichkeit oder aus
Unwissenheit. Es war längst überfällig, dass der Bundestag das neue
Gesetz beschlossen hat. Denn wenn alle, die bislang lediglich
moralisch viel von Organspende halten, angeschrieben werden und auch
auf dem Papier »Ja« sagen, kann in Zukunft mehr Menschen geholfen
werden. Damit wäre wohl das wichtigste Ziel der Organspende-Reform
erreicht. Doch das neue Gesetz hat noch weiße Flecken. Künftig müssen
alle Kliniken, in denen Organe entnommen werden können, einen
Transplantationsbeauftragten haben. Das ist mit Kosten verbunden.
Kosten, die das ein oder andere Krankenhaus vielleicht scheut.
Organspende ja, aber um jeden Preis? Diese Beauftragten müssten sich
intensiv mit der Organspende auseinandersetzen, müssten potentielle
Spender werben und Aufklärer sein. Um ihren Job richtig gut zu
machen, müssten sie wohl von ihren sonstigen Aufgaben als Ärzte oder
Krankenpfleger freigestellt werden. Sie müssten das Thema leben. Dann
wären sie mehr als nur ein Feigenblatt in der ohnehin opulenten
Bürokratie eines Krankenhauses. Darüber hinaus sind in Zukunft die
Schulen verstärkt angesprochen. Das neue Gesetz sieht vor, dass alle
Krankenversicherten von 16 Jahren an zur Organspende befragt werden.
In Projektarbeiten könnten die Schüler eine Haltung entwickeln. Sie
könnten sich mit Menschen unterhalten, die dringend auf ein
Spenderorgan warten oder mit solchen, die dank einer Spende ein
zweites Leben begonnen haben. Das neue Gesetz hat sicher den
steinigen Weg hin zu mehr Organspendern etwas leichter gemacht. Doch
das allein reicht nicht. Es bleibt auch in Zukunft eine Mammutaufgabe
für alle Beteiligten wie Politiker, Krankenkassen, Ärzte und Pfleger,
Lehrer und Interessenverbände. Darum, dass das Thema erstmal in die
Köpfe (der Politiker) gekommen ist, hat sich vor allem Frank-Walter
Steinmeier verdient gemacht. Der SPD-Fraktionschef spendete seiner
Frau Elke Büdenbender eine Niere und darf wohl als ein Motor des
neuen Gesetzes bezeichnet werden. Er hat öffentlich über ein
vermeintliches Tabuthema geredet und sich für eine Gesetzesänderung
stark gemacht. Unabhängig davon, welcher Partei er angehört: Wir
brauchen solche moralischen Vorbilder wie Frank-Walter Steinmeier
auch in Zukunft. Um das Thema in den Köpfen der Menschen zu halten.
Denn nur wenn das geschieht, wird die Frage nach dem Ja oder Nein zur
Organspende selbstverständlich

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