Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Stress am Arbeitsplatz

Blicken wir zurück: In den vergangenen zwei
Jahren boomte es am deutschen Arbeitsmarkt. Die Zahl der Menschen
ohne Job schrumpfte. Nie zuvor gab es so viele Erwerbstätige wie
heute. Ein Erfolg auf der ganzen Linie. Gleichzeitig aber stöhnen
immer mehr Menschen über steigende Belastung am Arbeitsplatz. Burnout
ist fast schon zur Volkskrankheit geworden, wird jedenfalls immer
häufiger von Psychologen diagnostiziert. Und psychische Erkrankungen
sind bei der Frühverrentung mit 41 Prozent inzwischen die Ursache
Nummer eins. Zahlen wir mit unserer Gesundheit für den Wohlstand zu
Hause und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Arbeitgebers? Natürlich
darf es soweit nicht kommen! Darin sind sich Politik, Arbeitnehmer
und Gewerkschaften zum Glück auch einig. Die entscheidende Frage aber
ist: Wie definieren wir Stress? Und worin unterscheidet sich unser
Stress heute von unserem Stress gestern? Denn die Belastung, auch das
sagt die Studie, hat in den vergangenen fünf Jahren nicht zugenommen
– weder durch Leiharbeit noch durch steigende Arbeitszeiten. Hinzu
kommt, dass sich bei gleichem Arbeitspensum der eine weniger, der
andere mehr gefordert fühlt. Stress ist subjektiv. Und Stress
beschränkt sich bei weitem nicht nur auf das Arbeitsleben, sondern
kann ebenso durch Probleme in der Beziehung ausgelöst werden.
Gleichwohl sind die Ergebnisse des Stressreports alarmierend. Wenn
sich fast jeder Zweite am Arbeitsplatz unter Druck gesetzt sieht und
sich jeder Fünfte überfordert fühlt, läuft etwas schief in unserer
Gesellschaft. Die Hauptprobleme sind ein starker Termin- und
Leistungsdruck, das Ausführen mehrerer Tätigkeiten nebenher und das
schneller werdende Arbeitstempo. Wenn Mitarbeiter an ihre Grenzen
gelangen, kaum noch Pausen einhalten und sich schließlich wegen
Erschöpfung krank schreiben lassen müssen, dann ist der
wirtschaftliche Schaden enorm. Stress und Burnout verursachen
jährliche Kosten von 53 Milliarden Euro für Behandlungskosten und die
dadurch hervorgerufenen Produktionsausfälle. Dabei spielt es keine
Rolle mehr, ob es sich nun um eine »gefühlte« oder tatsächliche
Stresszunahme handelt. Wenn dann noch die Arbeit, die der kranke
Beschäftigte hinterlässt, von seinen Kollegen mit erledigt werden
muss, kommt man schnell in einen Teufelskreis. Mehr Personal wird in
den seltensten Fällen eingestellt. Das Hamsterrad dreht sich folglich
immer schneller. Der Mensch ist keine Maschine. Viele Firmen haben
das Problem erkannt. Sie versuchen durch ein betriebliches
Gesundheitsmanagement oder Mailverbot nach Feierabend einer
Überlastung vorzubeugen. Dieser Ansatz ist nicht neu, aber noch viel
zu wenig verbreitet. Es muss allen gesellschaftlichen Gruppierungen
mehr als bisher daran gelegen sein, die Leistungsfähigkeit unserer
Arbeitskraft nachhaltig zu sichern. Das wäre gut für jeden von uns
und gut für unser Land.

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