Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Wahlkampf

Seit Wochen beklagen »Stern«-Kolumnist
Hans-Ulrich Jörges und andere linksliberale Stimmen im Lande, Angela
Merkel verweigere sich dem Wahlkampf. Sie schade der Demokratie und
eile von Gipfel zu Gipfel, ohne ihre Hausaufgaben zu machen. Auch
andere, die sich die bleierne Erfolglosigkeit von SPD-Spitzenkandidat
Peer Steinbrück nicht erklären können, landen schnell bei der
CDU-Vorsitzenden. Tatsächlich sieht man sie nirgendwo im
Straßenwahlkampf, dafür aber schon mal innerhalb von einer Woche erst
als mächtigste Frau der Welt bei den G8, dann neben Barack Obama am
Brandenburger Tor und noch zwei Tage später zieht sie Wladimir Putin
in Sachen Beutekunst am Nasenring durch die Manege. Keine Frage. Die
Macht solcher Bilder hat mehr Wucht als jede Wahlkampagne. Auch
Politikprofessor Peter Lösche, der die SPD seit Jahrzehnten berät,
beklagt: Erst räume Merkel sämtliche Themen ab, die das große
SPD-Versprechen von der sozialen Gerechtigkeit mit Mindestlohn und
Mietpreisbremse auf den Punkt brächten. Und dann käme das
hausgemachte Problem Steinbrück noch hinzu – der rechtschaffene
Kumpeltyp, dem Gabriel und Co. ein viel zu linkes Programm wie ein
Mühlrad um den Hals gehängt hätten. Während die Hunde bellen, zieht
die Merkel–sche Karawane unbeeindruckt weiter. So blieb die
schlagkräftigste Wahlkämpferin der Union auch am Wochenende dem ihr
nachgesagten Schweigegelübde in Sachen Steinbrück treu. Beim
CDU-Landesparteitag in Bad Salzuflen erwähnte sie ihren in Zeiten der
Großen Koalition engen Mitstreiter mit keinem Wort. Stattdessen
sprach die Regierungschefin im Stile eines Helmut Schmidt von der
Weltökonomie. Sie belehrte die Grünen – ohne sie freilich beim Namen
zu nennen -, Arbeitsplätze könne man nicht kaufen. Außerdem warnte
Merkel Politiker aller Farben, internationale Investoren zu
verschrecken. Unterschwellig klang da noch eine deutsche
Erfolgsformel mit, ohne dass Merkel Konrad Adenauer strapazieren
musste: »Keine Experimente!« Steinbrück mühte sich im Fernduell von
Bochum aus redlich, den Pudding an die Wand zu nageln, und tönte: »In
78 Tagen wird das Nichtstun dieser Regierung abgewählt.« Wenig
originell sprach Steinbrück erneut von »leeren Schachteln« im
Regierungsschaufenster und beklagte Reformpannen bei Pflege, Rente,
Bundeswehr sowie Energie. Kein Wort darüber, dass Sigmar Gabriel
CDU-Wahlgeschenke als zu teuer verurteilt, während Steinbrück selbst
ein 80-Milliarden-Programm im Angebot hat. Es bleibt dabei. Die Union
wird erst in den letzten vier Wochen vor dem 22. September zu den
Großkundgebungen auflaufen. Bis dahin wird der Ball öffentlich flach
gehalten, intern die Parteibasis aber zu Tausenden von guten alten
Hausbesuchen animiert. Auch das ist eine SPD-Idee, mit der zuletzt
Niedersachsen gewonnen wurde.

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