Welch ein Dilemma für Guido Westerwelle und die
FDP: Nicht nur, dass einige Liberale ein Problem mit ihrem
Vorsitzenden haben – zu allen Schwierigkeiten kommt hinzu, dass die
FDP selbst mit das größte Problem ist. Es ist ein Absturz, wie ihn
die Politik selten erlebt hat. Von 14,6 Prozent bei einer
Bundestagswahl sank die Partei auf heute fünf Prozent. Die FDP ist
wie ein Vogel im freien Fall, dessen Flügel zu schwach sind, um ihn
am Himmel zu halten. Die Liberalen sind deshalb so abgestürzt, weil
noch immer unklar ist, wofür sie innerhalb der Merkel-Regierung
eigentlich ganz genau stehen. Die versprochenen Steuersenkungen waren
nicht durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der FDP-Wähler weiß, wie
unrealistisch Forderungen von mehr Netto vom Brutto angesichts der
Krise und knapper Kassen war und ist, lassen die Liberalen in diesem
Punkt nicht locker. Die am Anfang der Regierungszeit durchgesetzten
Steuererleichterungen für die Hotelbranche sind ein weiteres
Päckchen, das die FDP mühevoll mit sich herumschleppt. Viel
versprochen, aber wenig gehalten hat die Partei auch mit der Absicht,
das Gesundheitswesen zu reformieren. Statt mehr Gerechtigkeit wurden
die Beiträge erhöht. Wenig erfolgreich agiert auch Guido Westerwelle
selbst. Er tut sich nach wie vor schwer mit der staatsmännischen
Rolle des Außenministers. Zudem macht er den Fehler, sein Ministeramt
zu häufig mit der Rolle des Parteivorsitzenden zu verbinden, wie
seine Ausführungen zur »spätrömischen Dekadenz« und der folgenden
Debatte zeigten. Außenpolitisch kann Westerwelle Angela Merkel und
Karl Theodor zu Guttenberg nicht das Wasser reichen, wie die
Afghanistan-Debatte zeigt. Hier ist der Außenminister der Außenseiter
und spricht vom Abzug der Soldaten im Jahr 2011, während Merkel und
Guttenberg vor Ort von Krieg reden. Es war zu erwarten, dass Guido
Westerwelle nach der Kritik in die Offensive gehen würde. Ob er das
Ruder aber herumreißen kann, ist fraglich. Ihn könnte retten, dass
die Partei zu schwach ist, um den Vorsitzenden aus dem Amt zu jagen.
Hinzu kommt, dass ein Königsmörder in weiter Ferne ist. Das Jahr 2011
mit sieben Wahlen könnte böse werden für die FDP. Westerwelles
Schicksal hängt vom Ausgang in Baden-Württemberg am 27. März ab.
Stürzt die FDP in ihrem Stammland ab, ist seine Zeit vorbei. Beim
Dreikönigstreffen am 6. Januar wird Westerwelle sagen müssen, ob er
beim Bundesparteitag im Mai nochmals als Vorsitzender kandidieren
wird. Ein denkbares Szenario wäre, das Amt aufzugeben. Westerwelle
selbst würde dann ein neues, junges Führungsteam aus Generalsekretär
Christian Lindner, Gesundheitsminister Philipp Rösler und NRW-Chef
Daniel Bahr zusammenstellen. Er könnte das als Aufbruch verkaufen,
bliebe als starker Mann im Hintergrund. Nur so hätte er die Chance,
seine Nachfolge selbst zu regeln. Schafft er das nicht, tun das
womöglich andere für ihn.
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