Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Ukraine-Konflikt

Die USA haben in der Ukraine von Anfang an den
engen Schulterschluss mit der Europäischen Union gesucht. Statt die
Marschrichtung vorzugeben, lässt Barack Obama die Partner in Europa
den Kurs mitbestimmen. Dahinter steckt die Überlegung, dass die
Partner auf der anderen Seite des Atlantiks sehr viel unmittelbarer
mit den Konsequenzen sicherheitspolitischer Entscheidungen leben
müssen als die USA.

Zudem hat Washington einen breiteren Fokus. Während Russland in
der Ukraine als Aggressor auftritt, der in die Schranken gewiesen
werden muss, brauchen die USA in Syrien und bei den Atomverhandlungen
mit Iran Putins Kooperation. Säbelrasseln in einem Konflikt, für
dessen Lösung es keine militärische Option gibt, erwiese sich als
denkbar kontraproduktiv. Das gilt insbesondere mit Blick auf die
Atomgespräche mit Iran.

Der US-Präsident setzt sich mit diesem sicherheitspolitischen
Pragmatismus seit einiger Zeit dem Vorwurf aus, der Führungsrolle der
Supermacht nicht gerecht zu werden. Die neue republikanische Mehrheit
im Kongress dürfte diese Kritik nun verstärken und versuchen, Obama
zu einem robusteren Handeln zu bewegen. Der designierte Vorsitzende
des Verteidigungsausschusses im US-Senat, John McCain, wird in seiner
neuen Rolle beispielsweise darauf drängen Waffen an die Ukraine zu
liefern. Ungeachtet solcher Kraftmeierei wollen aber auch die Falken
in Washington keine direkte Konfrontation mit Russland. Zumal die
Nato darauf nur ungenügend vorbereitet wäre.

Bleiben also politische Isolation und schärfere Sanktionen, um
Moskau zur Räson zu bringen. Genau diesen Kurs verfolgt Obama, der
die Europäer Geschwindigkeit und Ausmaß der Strafmaßnahmen vorgeben
lässt. Seine Strategie der geteilten Verantwortung katapultierte die
deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine bisher ungewohnte
Führungsrolle.

Diese transatlantische Aufgabenteilung behagt auch einigen in
Europa nicht, die ihre angestammte Rolle als sicherheitspolitische
Trittbrettfahrer sehr viel komfortabler fanden. Dass Kanzlerin Merkel
jetzt klare Worte an die Adresse Putins fand, hinterlässt in den USA
um so mehr Eindruck. Sie spricht aus, was Obama denkt: Dass Russlands
Aggression in der Ukraine nicht akzeptabel ist, die EU sich nicht
vorschreiben lässt, mit wem sie wie zusammenarbeitet und das Russland
einen wirtschaftlichen Preis dafür zahlen wird.

Ob die Strategie aufgeht, ist eine Frage der Sichtweise. Dass
Putin nicht längst schon weiter vorgestoßen ist, mag dafür sprechen.
Seine fortlaufenden Provokationen und das Unterlaufen von
Vereinbarungen mit der Ukraine lassen das Gegenteil befürchten. Nur
eines hat der Herr des Kreml nicht geschafft – einen Keil zwischen
Europa und die USA zu treiben. Mindestens in dieser Beziehung zahlt
sich der von Obama gesuchte Schulterschluss bisher aus.

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