An Angela Merkel liegt es jedenfalls nicht, wenn
die Lage in der Ostukraine weiter eskalieren sollte. Die Kanzlerin
hat alles für eine Entschärfung des Konflikts zwischen Russland und
der Ukraine getan. Mehr geht nicht. Sollten die USA nun auf neue,
härtere Sanktionen setzen und die ukrainische Armee massiv mit Waffen
ausrüsten, dann läge das an Wladimir Putins aggressiver Politik – und
an der entsprechenden Reaktion der USA. Ohnehin verfestigt sich der
Eindruck, dass im Donbass längst ein Stellvertreterkrieg geführt wird
zwischen von Moskau geführten Separatisten und von Washington
unterstützten Ukrainern. Wenn schon von einem neuen Kalten Krieg oder
der Fortsetzung des alten Konflikts die Rede ist, dann ist die
Ukraine für Putin heute das, was die Schweinebucht auf Kuba 1961 für
die USA war – eine Bedrohung im eigenen Vorgarten. Die Reise der
deutschen Regierungschefin und des französischen Staatspräsidenten
wirkte spontan, war aber keine Verzweiflungstat. Der diplomatische
Vorstoß drängte aus drei Gründen. Erstens wegen der Eskalation in der
Ostukraine, zweitens wegen der Sicherheitskonferenz in München, bei
der die Scharfmacher das Wort führen, und drittens weil Angela Merkel
am Montag Barack Obama in Washington trifft. Der stärkste Antrieb der
Kanzlerin: Sie will verhindern, dass aus den regional begrenzten
militärischen Handlungen ein Krieg zwischen Ost und West entsteht.
Deswegen ist jedes persönliche Gespräch mit Putin sinnvoll. Merkel
weiß, dass eine Vereinbarung mit Russland nur hält, wenn der
geografische Status Quo von heute Bestand hat – Landgewinne der
Separatisten eingeschlossen. Damit wird sich die Ukraine wohl ebenso
abfinden müssen wie mit einem Landweg der Russen zur Krim. Wer in der
jetzigen Phase zu diesen Zugeständnissen an den Aggressor nicht
bereit ist, der muss einen Krieg führen. Der Westen hat in der
Ukraine-Krise zu spät reagiert. Nach dem Abschuss des malaysischen
Passagierflugzeugs MH 17, bei dem 298 Menschen sterben mussten, wäre
ein robustes Auftreten der Nato an der Absturzstelle auf ukrainischem
Staatsgebiet angemessen gewesen. Damit hätte der Westen ein Zeichen
setzen können: Bis hierhin und nicht weiter. Das war und ist nicht
möglich, weil Europa gespalten ist und sich spalten lässt – von den
USA und Russland gleichermaßen. Das Grundproblem in diesem Konflikt:
Wladimir Putin scheint eine weitere Eskalation nicht zu fürchten. Im
Gegensatz zu einem Europa, das seine Friedensordnung gefährdet sieht.
Am 8. Mai wird der 70. Jahrestag des Kriegsendes gefeiert. Es wäre
kein gutes Zeichen für Europas Zukunft, wenn der russische Präsident
diesen Anlass ebenso verstreichen ließe wie den Gedenktag zur
Befreiung von Auschwitz.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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