Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ist isoliert
betrachtet kein entscheidender Gradmesser für die gesamtpolitische
Landschaft. Durch den in zwei Wochen folgenden Urnengang in Berlin
wird sie allerdings Teil eines Stimmungstests im Land gegen Ende des
»Superwahljahres«. Wird sich Westerwelle halten können, wenn die FDP
aus dem Landtag in Schwerin verschwindet? Muss sich die CDU mit der
Oppositionsbank begnügen? Wählt die SPD die Linke als Partner? Das
sind Fragen, die die Wahl am Sonntag ausmachen. Ihre Beantwortung ist
keineswegs unerheblich für die aktuelle Lage der Parteien in der
Bundesrepublik. Nehmen wir die FDP: Einige werden noch die Bilder von
2006 in Erinnerung haben, als die FDP in Mecklenburg-Vorpommern
stolze 9,6 Prozent erreichte und so die triumphale Rückkehr in den
Landtag sicherte. Der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle galt als
Wegbereiter dieses Erfolges. Am Sonntag könnte der Außenminister zum
Wegbereiter des Niedergangs deklariert werden, sollten die Liberalen
an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Westerwelle-Kritiker dürften
sich berufen fühlen, einen möglichen Misserfolg gegen ihn zu
verwenden. Und in Berlin wird es für die FDP nicht einfacher. Für die
SPD ist diese Wahl ein weiteres Glied in einer vorzeigbaren Kette.
Nach Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz will sie aus dem
»Superwahljahr« als Punktsieger hervorgehen – wenn da nicht der
Stolperstein Linkspartei wäre. SPD-Spitzenkandidat Erwin Sellering
hat eine Koalition nicht ausgeschlossen; im Gegensatz zu
Generalsekretärin Andrea Nahles, die ein Bündnis nach den Querelen um
die Linke für abwegig hält. Auch wenn diese Konstellation 1998 unter
Harald Ringstorff in Mecklenburg-Vorpommern beinahe hoffähig wurde,
ist es spätestens jetzt ein Fehler, mit der Linken zu kooperieren. Im
Zeichen von Fidel-Castro-Lobesbekundungen und umstrittenen Äußerungen
zum Mauerbau sollte die SPD auf Abgrenzung setzen. Noch schlimmer
gemacht hat Sellering die Situation mit seiner Behauptung, die DDR
sei »kein totaler Unrechtsstaat gewesen« – auch wenn ihm das laut
Umfragen in der Wählergunst keinen Abbruch getan hat. Die Linke
selbst hat derweil ganz andere Probleme. Ein schlechtes Ergebnis
würde die Personaldebatte erneut befeuern, und für das Führungsduo
Gesine Lötzsch und Klaus Ernst würde es eng. Auf Vorbehalte der SPD
gegenüber der Linken hofft die CDU. Eine CDU in der Opposition mit
großem Abstand zur SPD oder als Juniorpartner – das würde die Union
abermals schwächen. Ganz anders die Grünen: Ein möglicher Sprung auf
acht Prozent untermauerte ihren Höhenflug erneut. Sie würden somit
das letzte bislang ohne Grüne besetzte Landesparlament erobern. Trotz
vieler offener Fragen, steht eines fest: Die beste Nachricht des
Tages würde lauten, dass die NPD nicht in den Landtag einzieht. Darin
wären sich alle anderen Parteien einig.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261