Politik ist nicht selten eine trockene
Angelegenheit, und Landespolitik ist es erst recht. Heute aber
verspricht die landespolitische Bühne größtmögliche Spannung: Es ist
Showtime in Erfurt. Entweder wird Bodo Ramelow in Thüringen zum
ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei überhaupt gewählt – fast
auf den Tag genau 25 Jahre nach dem Fall der innerdeutschen Grenze.
Nicht nur für ehemalige Bürgerrechtler und all jene, die unter dem
Linkspartei-Vorläufer SED massiv gelitten haben, ist das eine nur
sehr schwer zu ertragende Vorstellung. Oder aber es geht doch noch
etwas schief auf der Zielgeraden mit Rot-Rot-Grün. Sollte das
passieren, wären da die nicht minder heiklen Fragen nach dem »Wer?«
und nach dem »Wie?«: Wer aus den Reihen von Linkspartei, SPD und
Grünen hat Ramelow aus welchen Gründen die Gefolgschaft verweigert?
Und wie konnte ein CDU-Kandidat, der noch gar nicht in Sicht ist und
den es zumindest im ersten Wahlgang nicht geben soll, eine Mehrheit
bekommen? Denn ohne die Stimmen der AfD dürfte ein solcher Coup
unmöglich gelingen. Dem aber steht das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin
entgegen. So kurios es klingen mag: In der CDU-Parteizentrale würde
man wohl eher mit einem glatten Sieg Ramelows leben können als mit
dem Vorwurf, dank der AfD doch noch das Amt des Ministerpräsidenten
verteidigt zu haben. Die Thüringer mögen es gewiss anders sehen, aber
so wichtig ist in Angela Merkels Kalkül der Posten eines
Ministerpräsidenten nicht, als dass man darüber die gesamte
Parteistrategie im Umgang mit der unliebsamen AfD über Bord gekippt
sehen möchte. Und eines ist auch mal klar: So sehr man mit einer von
der Linkspartei angeführten Landesregierung hadern kann – selten ist
ein Bündnis demokratisch so abgesichert gewesen, wie es diese
rot-rot-grüne Koalition wäre. Alle drei Partner haben mehrfach
innerparteilich über die Regierungsbildung abgestimmt und jeweils
klare Mehrheiten erzielt. Wenn Bodo Ramelow heute gewählt wird, muss
man ihm und seiner Partei weiter überaus kritisch begegnen – an
Legitimation aber mangelte es Rot-Rot-Grün nicht. Das freilich sagt
wenig bis nichts über die Motive der thüringischen SPD aus, sich auf
ein solches Regierungsabenteuer einzulassen – und nichts anderes ist
es. Gewiss war die Partei als Juniorpartner einer großen Koalition
von CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ziemlich schlecht
behandelt worden. Entsprechend gering war folglich das Interesse der
SPD an einer Neuauflage von Schwarz-Rot. Doch nun riskieren die
Sozialdemokraten die Selbstverzwergung. Geht–s nämlich schief mit
Rot-Rot-Grün, so wird die SPD ohne jeden Zweifel in Mithaftung
genommen. Läuft–s aber gut unter einem Ministerpräsidenten Ramelow,
so dürfte der Erfolg mit der Linkspartei nach Hause gehen. Wie daraus
eine neue SPD-Erfolgsgeschichte werden soll, erscheint ziemlich
rätselhaft.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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