Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Deutschen Bahn

Bahnchef Rüdiger Grube sollte alles dafür tun,
damit der Staatskonzern wieder ein Garant für Verlässlichkeit und
Pünktlichkeit wird. »War er doch noch nie«, werden viele Spötter
jetzt meinen. Dass jedes Ding zwei Seiten hat, weiß aber auch der
Spötter. Und die positive Seite der Bahn ist zum Beispiel, dass sie
das sicherste Verkehrsmittel ist und sich Millionen Pendler sowie
Reisende in den allermeisten Fällen auf sie verlassen können. Doch
nicht nur beim Spötter bleiben defekte Klimaanlagen im Sommer,
gefährlicher Schmierfilm im Herbst und eingefrorene Weichen im Winter
in langer Erinnerung. Aktuell hinzugekommen sind Ende 2012
Sicherheitslücken auf eingleisigen Bahnstrecken. Auf den Einsatz von
Streusand muss auf Weisung des Eisenbahnbundesamtes verzichtet
werden, da dieser die Signaltechnik stören könnte. Eigentlich war der
Streusand als Waffe gegen den Schmierfilm eingesetzt worden. Nunmehr
erweist sich das verbesserte Bremssystem als Sand im Getriebe bei der
Signaltechnik – verkehrte Bahnwelt. Wer es gut mit der Bahn meint,
formuliert konstruktive Kritik. Der kommende Frühling würde sich
somit gut für eine Imagekampagne eignen, damit der Staatskonzern dem
Gesamteindruck, er sei ein großer deutscher Reparaturbetrieb,
ernsthaft begegnen kann. Im Rahmen dieser Kampagne sollte die Bahn
auch zur Kenntnis nehmen, dass die Privatbahnen nicht weiter nur als
lästige Konkurrenz abgetan werden können. Für den Reisenden, den
Kunden, zählt die Einhaltung des Fahrplans als Ganzes. Somit sollten
sich Bahn und die private Konkurrenz darauf einigen, alle Fahrzeiten,
Anschlüsse und Verspätungen gemeinsam auf einen Blick anzubieten. Der
Monopolist Bahn würde Stärke zeigen, wenn er mit den noch Schwächeren
besser zusammenarbeitet. Zu denken gibt zudem der Streit über nicht
nachvollziehbare Infrastrukturgebühren, die die Privatbahnen an die
Bahn zu zahlen haben, wenn sie Schienennetze und Bahnhöfe nutzen. Die
Kalkulation dieser Gebühren ist nicht nachvollziehbar. So musste die
Bahn bereits ihr Trassenpreissystem ändern, da zunächst erhobene
Zuschläge für unattraktive Strecken nach Meinung der
Bundesnetzagentur rechtswidrig waren. Diese Argumentation lässt sich
auch auf die Haltegebühren übertragen. In Sachen Trassenpreise gibt
es die ersten gerichtlichen Mahnverfahren und Rückforderungen in
Millionenhöhe. Eine Klagewelle wird auch hinsichtlich der
Stationsgebühren erwartet. Die Bahn sollte sich bei diesen Verfahren
nicht stur stellen. Sie sollte lieber die Weichen stellen, damit mit
der privaten Konkurrenz und den Aufgabenträgern im
Schienenpersonennahverkehr, das sind Länder und Verkehrsverbünde,
eine einvernehmliche Lösung gefunden wird. Hier darf es keine Sieger
und Verlierer geben. Neue Lösungswege sind gefragt. In erster Linie
braucht die Bahn diesen neuen Schwung, wenn sie andere auf ihrem Weg
mitnehmen will. Und dies gilt nicht nur für das Zugfahren.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Weitere Informationen unter:
http://