Apokalyptiker haben zu Beginn des Jahres 2016
Konjunktur. Selbst in der Wirtschaft, wo doch, wie man glaubt, vor
allem Zahlen und Fakten regieren, melden sich die ersten
Weltuntergangspropheten zu Wort. An ihrer Spitze steht Andrew
Roberts, Chefanalyst der Royal Bank of Scotland. »Verkauft alles!«
rät er den Anlegern und verweist zum Beispiel auf die rückläufige
Entwicklung in China. Der Ball, der in Schanghai ins Rollen gekommen
sei, werde andernorts nicht nur Aktienmärkte mitreißen. Roberts
zieht Parallelen zu 2008 – der Situation vor der Pleite von Lehman
Brothers. Wer sein Geld retten wolle, müsse es jetzt tun. Wenn alle
zum Ausgang drängten, sei es zu spät.
Roberts steht nicht allein. Andere begründen ihre düsteren
Prophezeiungen damit, dass die Probleme in der EU mitnichten
überwunden seien. Sie verweisen auf Griechenland, das vermutlich
weitere Hilfen benötige, auf Großbritannien, dessen Bevölkerung 2016
den Ausstieg beschließen könnte, und auf die anderen Krisen und
Kriege, auf die die Welt keine Antwort hat.
Nun ist es grundsätzlich nicht verkehrt, sich ab und zu vor Augen
zu halten, dass nichts, was wir erreicht haben, selbstverständlich
ist. Doch kann man sich an apokalyptischen Ideen auch berauschen –
und die Fakten verschlafen. Sie sind in Deutschland wirklich nicht
schlecht: Die Wirtschaft hat 2015 überdurchschnittlich zugelegt.
Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit fast 25 Jahren nicht
mehr. Der Bund hat zwölf Milliarden Euro mehr eingenommen als
vorausgesagt.
Energie ist billig; sie wird mit der bevorstehenden Rückkehr des
Iran auf den Weltmarkt noch billiger. Die niedrigen Zinsen, die den
Sparsamen bestrafen, machen auf der anderen Seite nicht nur
Investitionen, sondern auch private Anschaffungen erschwinglich.
Statistiken von Sparkassen und Banken auch in Ostwestfalen zeigen,
dass Empfänger von mittleren Einkommen aktuell geplante Hausbauten
vorziehen.
Im Export profitiert die deutsche Wirtschaft von der Euro-
Schwäche. Und in unserem Land wirken die Ausgaben für Flüchtlinge
wie ein Konjunkturprogramm, von dem nicht nur das Bauhandwerk
profitiert. Mittelfristig wird es darauf ankommen, möglichst viele
junge Migranten in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Dann könnten
sogar manche früheren Untergangsprophezeihungen, die sich auf die
Überalterung der Gesellschaft beziehen, zur Seite gelegt werden.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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