Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Einigung in Kiew

Es ist ein Erfolg unter Vorbehalt. Wenn das
Abkommen zwischen der ukrainischen Opposition und der Regierung von
Viktor Janukowitsch hält, wenn sich die Gewalttäter unter den
Demonstranten überzeugen lassen, wenn die Gewalt endet und wenn sich
alle Seiten an die Zusagen halten – dann darf sich Europa als Pate
einer Einigung fühlen, die mehr ist als nur das Ende einer Krise.

Die konzertierte Aktion der EU-Außenminister, die die Grundlagen
für Sanktionen beschlossen haben, während drei ihrer Vertreter in
Kiew das Ende der Auseinandersetzungen erzwangen, dürfte zu den
Sternstunden europäischer Politik gehören – vorausgesetzt, die
Hoffnungen erfüllen sich. Es wäre der Sieg eines politischen
Konzeptes fernab jener Strategien, auf die die Großmächte bisher
stets gesetzt haben. Dieses Mal galt: Diplomatie statt militärischer
Intervention, Verhandlungen statt ökonomischer Abhängigkeit,
Gespräche statt Unterdrückung.

Schon im Atomkonflikt mit dem Iran hat sich über die Jahre hinweg
gezeigt, dass das Konzept von Sanktion plus Diskussion erfolgreicher
sein kann als das Säbelrasseln anderer Mitgliedsstaaten. Im Fall der
Ukraine aber hat Europa deutlicher und unabhängiger von den
Großmacht-Verbündeten gezeigt, was es erreichen kann, wenn man
tatsächlich mit einer Stimme spricht.

Anders als im Irakkrieg oder beim Libyen-Einsatz, als jede
Regierung machte, was sie wollte, konnte die EU nun ihr Gewicht
ausspielen – mit einer neuen, zukunftsträchtigen Achse
Berlin-Paris-Warschau an der Spitze.

Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslav Sikorski
gelang es auch, den Fehler zu vermeiden, der der EU zuletzt
unterlaufen war. Zu schnell hatte man sich in dem Konflikt auf die
Seite der Opposition geschlagen und damit den pro-russischen Teil der
Bevölkerung verprellt.

Mit dem Kreml lieferte man sich eine regelrechte Bieterschlacht.
All das brachte die Europäer in eine ungute Situation, weil plötzlich
Brüssel wie Moskau in dem Ruf standen, die Ukraine als Instrument
ihrer Machtpolitik zu missbrauchen. Erst als die EU-Vertreter diese
Position aufgaben und bereit waren, es den Ukrainern selbst zu
überlassen, ob sie eher zu einem oder gar zu beiden Partnern
Beziehungen haben wollten, wendete sich das Blatt. Der Verzicht auf
eigene strategische Vorteile – ein Hauptproblem für die
Glaubwürdigkeit der meisten selbsternannten Retter von außen – war
ein Durchbruch. Auch das gehört zu den Lehren dieser Mission.

Doch die eigentliche Arbeit ist erst noch zu tun. Denn Kiew steht
nach dem Chaos aus Gewalt und Demonstrationen vor dem ökonomischen
Aus. Sollte die internationale Gemeinschaft dem Land nicht innerhalb
von zwei Wochen helfen, droht die Staatspleite. Brüssel kann das Land
nicht alleine und vor allem nicht auf Dauer alimentieren. Aber man
kann die Sanierung beschleunigen. Sollte am Ende auch diese Operation
noch gelingen, hätte die EU alles erreicht. Und die Ukraine wieder
eine Zukunft.

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Andreas Kolesch
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