Fleischwirtschaft
Wenn der Magen grummelt Von Bernhard Hertlein Manchmal fallen die
Ereignisse wie Tarotkarten: Richtig interpretiert öffnen sie einen
neuen Blick in die Zukunft. In der Wirtschaft ist Globalisierung
schon lange ein Thema. Neu war zu Beginn dieser Woche die Meldung,
dass das Fleischwerk Tönnies künftig in großem Stil tiefgefrorene
Schweinehälften von Rheda-Wiedenbrück nach China transportieren und
dort verkaufen will. Tags darauf gab Wincor Nixdorf bekannt, dass in
Paderborn produzierte Bankautomaten in den Schwellenländern zu teuer
sind und deshalb Teile der Entwicklung und Fertigung verlagert werden
müssen. Liest man beide Meldungen hintereinander, könnte man
überspitzt zu der Erkenntnis kommen: Asien ist auf dem Weg zur
High-Tech-Region, während das alte Europa den Fernen Osten mit
Schlachtfleisch versorgt. Das Positive an dieser Nachricht ist: So
schlecht, wie manche Kritiker meinen, kann die deutsche
Nahrungsmittelindustrie nicht sein, sonst verspürte schließlich die
Welt nicht solchen Appetit auf Essen aus Deutschland. Unterstützt
wird dieser Eindruck durch die Bilder von den vollen Messehallen bei
der derzeitigen Grünen Woche. Andere Bilder zeigten dagegen auf den
Straßen demonstrierende Öko-Landwirte, Umwelt- und Tierschützer. Sie
bezweifeln angesichts wiederkehrender Skandale gerade die Qualität
der deutschen Lebensmittel. Vor allem aber wenden sie sich gegen die
industrielle Produktion. Ihre Wut richtet sich gegen
Massentierhaltung und Transporte über unnötig weite Strecken – ohne
dass diese Begriffe im Einzelfall genau abgewogen und erklärt werden.
Sprecher der Agrarbranche hielten den Demonstranten sofort ihr
Halbwissen vor. Doch was nützt das – und wem? Das Magengrummeln ist
nicht nur unter den Demonstranten der Grünen Woche, sondern unter den
Verbrauchern allgemein verbreitet. Die Kundschaft aber sollte man
nicht beschimpfen, sondern aufklären. Das haben auch die
Agrarverbände in der Vergangenheit versäumt. An die Öffentlichkeit
ging man meistens erst, wenn ein Skandal nicht mehr zu verbergen war.
Große Teile der Landwirtschaft und der angeschlossenen Agrarindustrie
sehen in den »Ökos« immer noch ihre Feinde. Das ist falsch. Fest
steht: Wer Fleisch mit Bewusstsein kauft und dafür sogar mehr Geld
ausgibt als andere, kauft immerhin noch Fleisch. Von Vegetariern und
Veganern dagegen können die Bauern und ihr Vieh nicht leben. Gegen
das Magengrummeln hilft nur: Die Landwirte müssen ihre Ställe öffnen
– und das am besten wörtlich, indem sie regelmäßig zu einem Tag der
offenen Hoftür einladen. Im Grunde ist es doch schade, wenn gutes
Fleisch über tausende Kilometer zu den Kunden transportiert werden
muss – ganz abgesehen von dem Schaden, den manche Lieferungen zum
Beispiel von billigen, schlimmstenfalls noch subventionierten
Hähnchenteilen anderswo, etwa bei den Kleinbauern in Westafrika,
anrichten.
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