Alle bisherigen Rezepte haben nicht
funktioniert: Die Flüchtlingswelle Richtung Europa schwillt immer
weiter an. Die EU steckt im Dilemma: Weist sie die Asylsuchenden
pauschal zurück, schafft sie de facto ein zentrales Menschenrecht ab.
Nimmt sie die Flüchtlinge auf, überfordert sie damit die Städte, die
die Integration übernehmen müssen.
Nun wird man es wohl mit Asylzentren, Auffanglagern oder
Informationsstellen versuchen – wie auch immer diese Einrichtungen am
Ende heißen. Angesichts von 283 000 illegalen Einreisen im Vorjahr,
von denen 220 000 Menschen über das Meer kamen und 3500 ertranken,
muss die EU endlich etwas tun. Vielleicht nicht abschrecken, aber
doch wenigstens durch Beratung und Aufklärung davon abhalten, sich
auf die Reise Richtung Europa zu machen, das auch kein Paradies ist.
Die Idee solcher Zentren war vor zwölf Jahren schon einmal
gescheitert. Nun versucht man es wieder, weil es angesichts der
unbestreitbaren Überlastung der südlichen Mitgliedsstaaten kaum eine
andere Chance gibt und weil man alles tun muss, damit die Flüchtlinge
nicht auch noch zusätzlich zu ihrer unmenschlichen Lage Opfer von
kriminellen Schleppern werden.
Doch die Probleme sind vielfältig. Es gibt keine Rechtsgrundlage,
um außerhalb der EU ordentliche Asylbescheide auszustellen, die nicht
anschließend als Freifahrtscheine durch die Union genutzt werden
können. Humanitäre Bedingungen sollen garantiert sein. Vielleicht, so
überlegen die Innenminister, wäre es sogar gut, das
UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge mit dem Betrieb dieser Zentren zu
beauftragen.
Natürlich wäre es der richtige Weg, die Fluchtursachen zu
bekämpfen. Doch dazu müsste man weite Teile Nordafrikas postwendend
in funktionierende Demokratien mit blühender Marktwirtschaft
verwandeln. Von diesem Zustand ist jene Region Generationen entfernt.
Die tatsächliche Lage sieht so aus: Libyen droht im Bürgerkrieg
unterzugehen. Die Terrororganisationen IS und Boko Haram schließen
sich zusammen und vertreiben Hunderttausende. Der arabische Frühling
hat vielen Ländern keinen demokratischen Neuanfang, sondern
Kriegschaos gebracht. Die EU kann moderieren, kann Hilfe anbieten,
aber sie kann nicht befrieden. Wer nur auf die langfristige Lösung
setzt, müsste über vermutlich sehr lange Zeit mit hunderttausenden
Flüchtlingen als Normalzustand leben.
Das kann und darf die EU nicht zulassen. Es mag ja sein, dass die
Zentren schwer zu errichten und noch schwerer zu betreiben sind. Aber
wenn sie den Flüchtlingen vor Ort klarmachen, dass sie sich mit ihrer
Reise auf ein aussichtsloses Abenteuer einlassen, bei dem sie noch
dazu Opfer von Schleppern werden, könnten die EU-Berater am Ende
vielleicht sogar Menschen retten.
Das ist zweifellos humaner, als wenn Europas Hilfe erst dann
ansetzt, wenn man die Opfer aus dem Meer holen muss.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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