Wer sagt, die Umsetzung der Inklusion in
Deutschland sei auf einem guten Weg, verschließt die Augen vor der
Realität. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, aber vor allem
der gemeinsame Schulunterricht von behinderten und nicht behinderten
Kindern funktioniert alles andere als optimal. Natürlich gibt es
Leuchttürme. Die bleiben aber die Ausnahme. Auch wenn sie gerne von
der Politik der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dennoch: Das
Schulsystem ist überfordert mit dieser Herkulesaufgabe.
Das liegt nicht an mangelndem Willen der Lehrer, sondern an
schlechter Vorbereitung durch das Land. Viel zu spät wurden die
Strukturen in den Schulen an den Rechtsanspruch behinderter Kinder,
eine Regelschule zu besuchen, angepasst. Dieser existiert in
Nordrhein-Westfalen seit dem Schuljahr 2014/15. Zunächst lag das
Augenmerk mehr auf baulichen Veränderungen. Es wurde von der Politik
viel darüber geredet, die pädagogische Kompetenz für diese Aufgabe zu
schaffen. Im Schulalltag kam aber nicht viel davon an. Die
Weiterbildung von Lehrern wurde übereilt und oft konzeptlos
umgesetzt. Schulen erfuhren häufig erst spät, welchen Förderbedarf
die zu unterrichtenden, behinderten Kinder haben. Das hat sich bis
heute nicht geändert. Ein Einstellen und professionelles Vorbereiten
auf die neue Situation ist dadurch oft unmöglich.
Hinzu kommt, dass die Schulen aktuell ohnehin vor einem Berg an
Zusatzaufgaben stehen, die sie – trotz verbesserter, aber nicht
ausreichender Personalausstattung – leisten sollen. Nicht nur
behinderte Kinder sollen in das Regelschulsystem integriert werden.
Auch Flüchtlingskindern soll das System Schule möglichst ideale
Startbedingungen zur Integration verschaffen. Inklusion und
Integration: Das sind zwei enorm große Aufgaben innerhalb kürzester
Zeit. Sie sind keine Selbstläufer und überfordern Lehrer und Schüler.
Auch wenn das Land für mehr Personal gesorgt hat, reicht das nicht.
Erst wenn in jeder Inklusions- und Integrationsklasse ein
Sonderpädagoge fest zum Team gehört, haben Inklusion und Integration
eine Erfolgschance.
Der wichtigste Appell in Richtung Politik beim Thema Inklusion
lautet jedoch: Seid endlich ehrlich. Tut nicht länger so, als würde
niemand Förderschulen abschaffen wollen. Nur um diejenigen nicht als
Wähler zu verlieren, die diese für den idealen Ort zur Förderung
bestimmter Kinder halten. Nicht für jedes Kind ist eine Regelschule
sinnvoll. Zu große Klassen, zu wenig Personal, fehlende technische
Voraussetzungen zum Beispiel für Seh- oder Hörbehinderte, schlecht
ausgebildete Pädagogen sind nur einige Stichworte.
Die Wahrheit ist: Die UN hat Deutschland klar aufgefordert,
Förderschulen abzuschaffen. Wer das verheimlicht, täuscht den Wähler
aus Machtkalkül.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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