Nicht spektakuläre Herz-OP, sondern Linderung
mit Hausmitteln: Angela Merkels kleine Kabinettsumbildung ist der
angestrengte Versuch, sich mit sanfter Hand, schonender Therapie und
stillem Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des Politikbetriebs
aus kritischer Lage herauszuschleichen. Das könnte der Frau Dr. sogar
gelingen. Guttenberg war gestern, jetzt also de Maiziére und
Friedrich. Auch wenn Ruhe mitnichten erste Bürgerpflicht in dieser
Republik ist, verschafft sich die Kanzlerin mit unfreiwilliger, aber
schneller Kabinettsrochade wieder Handlungsspielräume. Thomas de
Maiziére ist nach dem dramatischen Abgang von Merkels Starminister
die Idealbesetzung im Verteidigungsressort. Weder graue Maus noch
graue Eminenz, wohl aber absolute Kompetenz im stillen Abarbeiten
sind jetzt gefragt. Die Bundeswehrreform insgesamt, das
Rekrutierungsproblem, die Standortschließungen und die teuren
Abfindungen für tausende zu verabschiedende Offiziere im Speziellen
brauchen effektives Krisenmanagement. Nur Abräumen, diesmal ohne
aufzufallen, bringt Merkel weiter. Wenn das einer kann, dann de
Maiziére, der stille Strippenzieher der Macht. Fast unbemerkt von der
Öffentlichkeit führte er zu Zeiten der Großen Koalition das
Bundeskanzleramt, dass es der intern zum Biedermeier neigenden
Kanzlerin eine Freude war. Dabei hatte Frank-Walter Steinmeier, sein
Vorgänger in dieser Funktion unter dem unberechenbaren Gerhard
Schröder, schon höchste Maßstäbe gesetzt. Und Hans-Peter Friedrich?
Erstens CSU und zweitens ein Franke: Das waren die Eigenschaften, mit
denen zu Guttenberg einst ins Kabinett aufrückte. Jetzt gelten die
selben Mindestkriterien für den Nachrücker im Innenressort. Ob der
Wirtschafts- und Finanzpolitiker mit außenpolitischer Zweitbefähigung
für Inneres taugt, muss sich noch erweisen. Merkel würde es genügen,
wenn der neue Innenminister so unfallfrei verführe wie sein
Vorgänger. Was bleibt, ist eine ziemlich einsame Bundeskanzlerin, die
in ihrer zweiten Amtszeit und am Beginn eines wenig verheißungsvollen
Wahljahres steht. Baden-Württemberg will erst einmal gehalten sein.
Gestern führten schlagartig nach oben tendierende SPD-Werte vor
Augen, wie stimmungsabhängig die bröckelnde Basis der Merkelschen
Macht inzwischen geworden ist. Allerdings: Personalwechsel in einer
Regierung sind nicht die Ausnahme, sondern finden mit schöner
Regelmäßigkeit statt. Der vermeintliche Überkanzler und Aussitzer
Helmut Kohl verschliss genau 100 Minister und Staatssekretäre. Nur er
selbst und der unverwüstliche Norbert Blüm überstanden die volle
Strecke von 16 Jahren. Mit de Maiziére und auch mit Friedrich setzt
die Kanzlerin auf zwei Anti-Guttenbergs. Nicht glamourös, sondern
umsichtig abwägend, nicht polarisierend, sondern detail- und
lösungsversessen – eigentlich so wie sie selbst.
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