Kein »O du fröhliche«? Keine stille heilige
Nacht? Keine leuchtenden Kinderaugen, wenn sie vor Krippe und
Tannenbaum ihre Geschenke auspacken?
Doch. Die Bielefelder und die übrigen Ostwestfalen lassen sich das
christliche Fest der Liebe nicht von ein paar Provokateuren
vermiesen. Die Bescherung wird wie jedes Jahr stattfinden. Doch zuvor
geht es zur Demonstration gegen die Nazis. Es wäre gut, wenn viele,
die sonst nie zum Protestieren auf die Straße gehen, dieses Mal dabei
sind. Eine Zumutung? Ja – aber eine, für die die Ultrarechten
verantwortlich sind. Auf ihren Internet-Seiten jubeln sie unter den
Fotos vom Hermannsdenkmal, den Externsteinen, der Wewelsburg und dem
Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica: »Da habt ihr die
Bescherung.«
In der Tat wäre es eine wirkliche Bescherung, wenn die
bundesweiten Medien Ostwestfalen-Lippe an Weihnachten in ein braunes
Licht tauchten! Zwar wäre dieser Einruck falsch. Denn angemeldet
wurde die Nazi-Demonstration von einem Düsseldorfer. Und auch die
meisten Teilnehmer reisen von außerhalb an. Doch die negative
Berichterstattung lässt sich nur verhindern, wenn die Zahl der
Gegendemonstranten deutlich größer sein wird als die der
Provokateure.
Der äußere Eindruck ist aber nur eine Sache. Viel wichtiger ist:
Es gibt allen Grund, dem ultrarechten Treiben jetzt einen Riegel
vorzuschieben. In der Vergangenheit standen Kundgebungen gegen
Neonazis oft noch unter dem Motto: »Wehret den Anfängen!« Das ist
2012 endgültig vorbei. In Deutschland gibt es Dörfer und
Stadtbezirke, in die sich besser kein Ausländer hineintraut. Das muss
sich wieder ändern. Wer bisher noch Zweifel an der Gefährlichkeit der
Springerstiefelträger hatte, muss durch die Mordserie der Gruppe
»Nationalsozialistischer Untergrund« überzeugt sein: Es gibt einen
Terror von Rechts, der jenem der linken RAF in den siebziger Jahren
vergleichbar ist. Was die Demonstration – angeblich gegen ein
Bielefelder Jugendzentrum – mit der als Dönerspieß verharmlosten
Mordserie zu tun hat? Viel. So soll der Organisator Sven Skoda einem
Bericht des WDR-Magazins Westpol zufolge vor zwei Jahren gemeinsam
mit den drei Terroristen aus Zwickau an einer Nazi-Veranstaltung
teilgenommen haben.
Die Nazis sind schon mehrmals mit Versuchen gescheitert, OWL für
sich zu vereinnahmen. Zuletzt hat sich Bielefeld am 6. August
quergestellt. Natürlich gibt es keine Pflicht zur Demonstration,
schon gar nicht an Heiligabend. Aber es wäre gut, wenn die Braunen
unsichtbar würden. Da sie selbst nicht den Rückzug antreten, müssen
sie durch das Heer der Gegendemonstranten verdeckt werden. Die
Alternative, ihren Aufmarsch totzuschweigen, ist keine. Diese
Bescherung ist den Nazis gelungen. Es wird hoffentlich ihre einzige
bleiben.
Wer noch nicht ganz überzeugt ist, sollte sich an den Hirten von
Bethlehem ein Beispiel nehmen: Sie wurden belohnt, weil sie wachsam
geblieben sind.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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