Dieser Kurswechsel in der Außen- und
Sicherheitspolitik ist ohne Übertreibung historisch zu nennen.
Deutschland ist dabei, seine Rolle auf der Weltbühne neu zu
definieren: raus aus der Zuschauerrolle, rein in mehr Verantwortung.
Die 50. Münchner Sicherheitskonferenz könnte einst als Wendepunkt im
Selbstverständnis der Bundesrepublik ausgemacht werden. Der Weg ist
richtig, die Debatte überfällig. Doch macht die Politik die Rechnung
womöglich ohne das Volk? In einem bemerkenswerten, fast konzertiert
wirkenden Gleichklang haben Bundespräsident Joachim Gauck,
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister
Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Deutschen auf ein größeres
Engagement ihres Landes und auf größere Verpflichtungen im
Zusammenspiel der Nationen, Kontinente, Interessenlagen und Bündnisse
vorbereitet. Genauer gesagt: Sie haben das Land regelrecht
beschworen. Ihre Botschaft war eindeutig: Deutschland kann und muss
mehr Verantwortung übernehmen. Knapp 70 Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges sei das »Recht auf Wegsehen« verwirkt, erklärte
der Bundespräsident. Zugleich mangele es unserem Land nicht an der
notwendigen Befähigung, so Gauck. Seit sechs Jahrzehnten lebe
Deutschland in Freiheit und Frieden, es sei »das beste Deutschland,
das wir kennen«. Das aber bedeute auch: Wo sich unter dem Deckmantel
der Zurückhaltung eine Unkultur des Nichtstuns und der Bequemlichkeit
breitmache, sei es höchste Zeit für eine Revision. Die Bündnispartner
hörten die Worte, einzig fehlt ihnen wohl noch der Glaube.
US-Außenminister John Kerry machte aus seinen Zweifeln keinen Hehl,
als er feststellte, dass es nicht Reden in München sind, die eine
neue Rolle Deutschlands ausmachen. Nein, es ist in der Tat das immer
sehr teure und oft lebensgefährliche Engagement an den Krisenherden
in aller Welt. Gewiss dürfte Kerry in diesem Zusammenhang auch an die
vorherige deutsche Regierung, ihren Außenminister Guido Westerwelle
und das unglückselige Agieren insbesondere in der Libyen-Frage
gedacht haben. Also noch mehr tote deutsche Soldaten schon bald? So
lautet brutal-nüchtern der Fixpunkt einer Diskussion, die gerade erst
ihren Anfang nimmt. Das beweist nicht nur das Veto der Opposition von
Linkspartei über Grüne bis zur FDP. Denn so sehr Gauck, von der Leyen
und Steinmeier Recht haben mögen, so sehr lehnt eine Mehrheit der
Deutschen im Zweifel ein militärische Eingreifen im Ausland ab. Die
Regierung muss also erst einmal erhebliche Überzeugungsarbeit leisten
– im Parlament wie im Land. Zudem muss sie Antworten finden, für
welche Ziele und welche Resultate welcher Einsatz gerechtfertigt
erscheint. Allein die vor dem Ende stehende Afghanistan-Mission wirft
da eine Vielzahl kritischer Fragen auf. Bequem wird der Weg zu einer
neuen Außen- und Sicherheitspolitik nicht. Doch sollten wir uns
eingestehen: Handeln hat seinen Preis, Nichthandeln aber auch.
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