Stolz steht sie da, die junge Afro-Amerikanerin,
im Sommerkleid und Ballerinas. Ihr gegenüber zwei Polizisten mit
Helmen und Kampfanzügen, von denen weiße Plastikhandschellen baumeln.
Dahinter eine Phalanx hochgerüsteter »Cops«. Die Aufnahme stammt vom
Fotografen Jonathan Bachmann, der sie bei der Protesten der »Black
Lives Matter«-Bewegung in Baton Rouge machte.
Die 28-jährige Krankenschwester Ieshia Evans ist über Nacht zum
Symbol des Verhältnisses der Polizei zum schwarzen Amerika geworden.
So parteiisch das Foto auch sein mag, so sehr trägt es dazu bei, die
angespannte Stimmung in den USA zu verstehen. Denn es erlaubt den
Betrachtern die Polizei aus der Perspektive der etwa 40 Millionen
Afro-Amerikaner zu sehen. Die nehmen die Beamten oft genug nicht als
»Freund und Helfer« wahr, sondern zuweilen als tödliche Bedrohung.
Eine falsche Bewegung kann reichen, von Kugeln durchlöchert zu
werden. Die blutigen Videos, die festhalten, wie Philando Castile in
Minnesota und Alton Sterling in Louisiana sterben, sind nur die
letzten Beispiele ausufernder Polizeigewalt.
Nach dem fünffachen Polizistenmord von Dallas klingt es ein wenig
pietätlos, aber leider muss es gesagt werden: Die ethnischen Unruhen
in den USA lassen sich ohne die strukturellen Verzerrungen im
amerikanischen Strafrechtssystem allgemein und dem Verhältnis der
Polizei zu farbigen Nachbarschaften im Besonderen nicht erklären. Die
Hälfte der zehn größten Unruhen in der Geschichte der USA hatte ihre
Auslöser in der Behandlung von Schwarzen durch die Sicherheitskräfte.
Die »Black Lives Matter«-Bewegung verdankt ihre Gründung dem Protest
gegen den Tod Trayvon Martins, den ein Nachbarschaftswächter 2012 auf
dem Weg zum Haus seines Vaters erschossen hatte. Der Fall
sensibilisierte die Öffentlichkeit erstmals für die Geringschätzung
des Lebens schwarzer Männer.
Seitdem reist die Serie von Handy-Videos nicht ab, die festhalten,
wie Ordnungshüter Angehörige von Minderheiten in den USA behandeln.
Wer eine dunkle Hautfarbe hat, fürchtet sich mit gutem Grund vor der
Gewalt der Polizei. Umgekehrt haben auch die »Cops« in Amerika
berechtigten Anlass zur Sorge. Die ethnischen Minderheiten in den USA
machen einen guten Teil der armen Nachbarschaften aus, die von
Hoffnungslosigkeit, Drogen und Gewalt geprägt sind. Dank der
Laissez-Faire-Politik beim Waffenrecht weiß ein Beamter nie, ob die
Person, mit der er zu tun hat, bewaffnet ist. Fehlannahmen können
schnell tödlich enden.
Amerika wird erst zur Ruhe kommen, wenn es seine Polizei, das
Straf- und das Waffenrecht gründlich reformiert. Nur dann kann
Vertrauen wachsen, das durch Ereignisse wie in den vergangenen Tagen
gründlich verloren gegangen ist.
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Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
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