Nichts war es gestern mit der großen Party zum
einjährigen Geburtstag der schwarz-gelben Regierung. Kaviar und Sekt
blieben im Kühlschrank. Nicht einmal gelber Orangensaft und
schwarzsüße Schokolade wurden gereicht. In dem tigerfarbenen Kabinett
steht keinem der Sinn nach großer Feier. Glaubt man den Umfragen,
dann kommen die Koalitionsparteien gerade noch auf 35 Prozent –
zusammen. Dabei kann sich die wirtschaftliche Bilanz der Regierung
durchaus sehen lassen. Die Krise wurde allem Anschein nach ohne große
Blessuren überwunden – besser jedenfalls als in vielen anderen
Staaten. Der Aufschwung erreicht in Deutschland in diesem Jahr eine
Dynamik, wie man sie lange Zeit nur von »Tigerstaaten« kannte. Die
Arbeitslosenzahl rutschte unter die Drei-Millionen-Marke. Und es ist
nicht vermessen, sogar von Vollbeschäftigung zu träumen. Zugegeben:
Der Start war alles andere als geglückt. In der jungen Ehe wurde
gezankt und gezofft. Zeitweise ging es zu wie bei Martha und George
in Edvard Albees »Wer hat Angst vor Virginia Woolf«. Die Unterschrift
unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht trocken, da waren die
Flitterwochen schon beendet. Dazu kam, von FDP und CSU erzwungen, das
Steuergeschenk für das Hotelgewerbe, mit der Schwarz-Gelb gerade
bürgerliche Anhänger vor den Kopf stieß. Gern wird das Stimmungstief
an Personen festgemacht. Vor allem Guido Westerwelle hätte eine Phase
des Einarbeitens und Lernens gut angestanden. Stattdessen hüpfte er
von einem Fettnäpfchen ins nächste. Doch scheint diese Phase beendet.
In Polen, der Türkei und bei der Wahl Deutschlands in den
UN-Sicherheitsrat machte der Außenminister schon eine viel bessere
Figur. Und dass er die Kanzlerin wegen ihrer Einigung mit Frankreichs
Staatspräsident Nicolas Sarkozy über einen neuen Euro-Stabilitätspakt
kritisiert hat, ist in der Form angreifbar: In der Sache aber hat der
FDP-Vorsitzende jedoch Recht. Wie die Koalition, so steckt auch
Angela Merkel in einem Formtief. In der Beliebtheitsskala ist sie
hinter Jürgen Trittin gerutscht. Aber auch für die Kanzlerin gilt:
Sie ist noch nicht am Ende ihres Weges angekommen. Nach der Phase des
Zauderns und Stolperns rief sie den »Herbst der Entscheidungen« aus.
Es scheint, als sei dies ernst gemeint. Die neuen Baustellen – Hartz
IV, Stuttgart 21, Atomenergie – haben keine Mitte, auf die man sich
einigen könnte. Dafür oder dagegen – dazwischen gibt es nichts.
Merkel hat sich bei den Themen konsequent positioniert. In der
Fußball-Bundesliga steht Schwarz-Gelb mit Borussia Dortmund nach neun
Spieltagen auf einem Champions-League-Platz – hinter Mainz und vor
Hannover. Sicher wird sich diese Reihenfolge bis zum Saisonende noch
ändern. Genau das gilt auch für Schwarz-Gelb in Berlin: Abgerechnet
wird zwar zum ersten Mal bei der Wahl in Baden-Württemberg,
letztendlich aber erst am Ende der Legislaturperiode.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261