Die Farbe Grün verbinden wir mit dem Frühling,
mit fruchtbaren Wiesen, Feldern und dem Wald. Grün steht für
Erneuerung und den Triumph des Frühlings über den kalten Winter. Grün
ist die Farbe der Stunde – nicht nur meteorologisch, sondern auch
politisch. Die Erfolge ziehen sich wie ein roter Faden durch das
Superwahljahr. Grün ist »in«. Mit Grünen als Partner an seiner Seite
gewinnt man Wahlen. Das weiß auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihre
Rolle rückwärts in der Atompolitik hatte zwar auch wahltaktische
Gründe, aber langfristig geht es Merkel um etwas ganz anderes:
Erstens hat sich ihre Einstellung zur Kernenergie nach der
Katastrophe in Japan geändert. Zweitens will und muss Angela Merkel
ihre Partei langfristig koalitionsfähig für eine Partnerschaft mit
den Grünen machen. Und das geht nur mit dem Ausstieg aus der
Kernenergie und dem noch rascheren Umstieg in erneuerbare Energien.
Die Bundeskanzlerin muss so handeln, weil sie mit der FDP einen
schlappen Partner hat, der mittlerweile kein verlässlicher
Stimmenlieferant mehr ist. Man könnte die Liberalen auch als einen
Klotz am Bein bezeichnen. Die CDU braucht aber einen Garanten, will
sie bei zukünftigen Wahlen wieder erfolgreich sein. Somit öffnet
Merkel die Partei erneut, ähnlich wie sie es beispielsweise 2005 mit
dem Umdenken in der Familienpolitik schon einmal getan hat. Auch wenn
die Zeit noch nicht reif war: Man stelle sich nur vor, CDU und Grüne
wären sich vor den beiden Landtagswahlen etwas näher gewesen. In
Baden-Württemberg hätte Schwarz-Grün mehr als 60 Prozent der Stimmen
erhalten, in Rheinland-Pfalz mehr als 50 Prozent. Doch so simpel die
Rechenspiele auch sein mögen, so einfach lässt sich ein
schwarz-grünes Zukunftsmodell nicht herbeizaubern – von den Inhalten
beider Parteien außerhalb der Atompolitik einmal ganz abgesehen.
Dennoch wird Angela Merkel diesen Kurs der Öffnung nach links
fortsetzen. Und die SPD ist ja auch noch da. Sie hat zwar kein
richtiges Thema und versucht, massive Stimmenverluste weiter
wegzulächeln. Doch genau wie die Bundeskanzlerin weiß auch SPD-Chef
Sigmar Gabriel, was er an den Grünen hat. Ohne sie würde Kurt Beck
nicht erneut so problemlos Ministerpräsident seines Landes. Ohne sie
wäre Baden-Württemberg niemals gekippt. Angesichts des Riesenerfolges
der Ökopartei reiben sich alle Etablierten – CDU, SPD und vor allem
die FDP – verwundert die Augen. Sie müssen sich fühlen, als blickten
sie ins All und entdeckten dort lauter grüne Männchen. Doch so
schlimm ist es nicht. Die Grünen befinden sich zwar im Höhenrausch,
aber auch sie werden auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Denn
nicht immer passieren Katastrophen. Und in Baden-Württemberg wird es
spannend sein zu erleben, wie sich »Stuttgart 21« unter einem grünen
Ministerpräsidenten entwickelt. Die Farbe Grün ist groß in Mode. Das
Plus der Partei war zuletzt, dass sie fast nirgendwo so richtig
Verantwortung übernehmen musste. Das ist nun anders. In
Baden-Württemberg wird die Partei beweisen müssen, dass die Farbe
Grün mehr ist als nur eine Modeerscheinung.
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Andreas Kolesch
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